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Strafbarkeit des Entwendens eines RTW-Zundschlüssels

Geschichten, die das Leben schreibt …

Das Amtsgericht Emmendingen - Emmendingen liegt in der Nähe zu Freibug im südlichen Baden und ist Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises - hatte bereits vor rund einem Jahr über einen direkt aus dem Leben gegriffenen Fall zu entscheiden, der sich Ende 2007 zutrug. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen die Besatzung eines RTW sowie eines NEF und ein … hm … vermutlich Lebenskünstler, der der sog. Nichtseßhaftenszene offenbar zumindest nahestand, sich in reichlich alkoholisiertem Zustand an der Notfallversorgung einer Patientin beteiligen zu müssen glaubte und über die Zurückweisung so verärgert war, daß er der RTW-Besatzung einen Denkzettel verpassen zu müssen glaubte.

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Strafrechtlicher Schutz elektronischer Nachrichten

Post- und Fernmeldegeheimnis genießen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Dies drückt sich nicht nur in strafprozessualen und präventiven Rechtsnormen aus, die den Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses dem Staat gegenüber dienen, sondern gilt auch gegenüber Privaten. So stellt bspw. § 88 Abs. 3 S. 1 TKG klar, daß auch Fernmeldedienstleister nicht einfach Einblick in die Kommunikation ihrer Kunden nehmen dürfen, also bspw. deren E-Mail-Verkehr mitlesen.

Für den Bereich des Post- und des Telefoniewesens werden diese Verbote durch strafrechtliche Schutzvorschriften flankiert: §§ 202 Abs. 1, 206 Abs. 2 Nr. 1 StGB sanktionieren den Zugriff auf verschlossene Postsendungen durch Mitarbeiter des Postunternehmens (und Dritte), § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt das Abhören von Telefongesprächen generell unter Strafe. Aber wie sieht es mit E-Mails und anderen elektronischen Kommunikationsformen aus? Bei näherer Betrachtung tun sich überraschende Strafbarkeitslücken auf.

§ 202 StGB, der das Briefgeheimnis schützt, betrifft nur verschlossene (!) Schriftstücke (!), also körperliche Gegenstände, und ist damit für den Schutz von E-Mails u.ä. nicht fruchtbar zu machen.

§ 202a StGB, der das Ausspähen von Daten durch Überwindung einer Sicherung gegen unbefugten Zugriff betrifft, dürfte nicht einschlägig sein, weil Systemadministratoren u.a. Mitarbeiter eines Mailproviders regelmäßig Zugang zu den entsprechenden Systemen und Daten haben, also keine besondere Sicherung überwinden.

Und in der eigentlichen Spezialvorschrift zum Post- und Fernmeldegeheimnis, nämlich § 206 StGB, ist zum einen schon generell sehr umstritten, ob "Sendungen" im Sinne von Abs. 2 der Vorschrift nur körperliche Gegenstände sein können, was die herrschende Meinung in der Literatur annimmt, das OLG Karlsruhe jedoch in einem (der in der Regel nur im Promillebereich erfolgreichen) Klageerzwingungsverfahren für die Variante des Unterdrückens von Sendungen (§ 206 Abs. 1 Nr. 2 StGB) bestreitet (Beschluß vom 10.01.2005, 1 Ws 152/04). Für unsere Fragestellung kommt es darauf jedoch gar nicht an, weil die Tatbestandsvariante des § 206 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausdrücklich "eine Sendung, die einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraut und verschlossen ist", verlangt; das kann - unstreitig - nur körperliche Gegenstände betreffen. Auch hier ist also der unbefugte Zugriff auf E-Mails u.ä. durch Mitarbeiter des Anbieters nicht strafbewehrt.

Im TKG finden sich gleichfalls keine auf § 88 Abs. 2 TKG bezogenen Strafnormen.

Womit ich die Frage dann mal an die Leserschaft weitergeben möchte - übersehe ich eine Strafnorm, oder ist der unbefugte Zugriff auf textuelle elektronische Kommunikation schlicht strafrechtlich bisher nicht sanktioniert?

Hakenkreuze: Karlsruhe locuta

Der BGH hat heute entschieden, dass die Verwendung und Verbreitung durchgestrichener Hakenkreuze und vergleichbarer "Anti-Nazi-Symbole", bei denen sich bereits aus dem Symbol selbst die Ablehnung der nationalsozialistischen Ideologie ergibt, nicht gemäß § 86a StGB strafbar ist.

Tragende Erwägung war offenbar - nach der mündlichen Urteilsbegründung - die Fortführung und teilweise Modifizierung der von mir bereits ausführlich wiedergegebenen bisherigen Rechtsprechung, nach der Kennzeichenverwendungen ausgenommen sind, wenn sich aus dem Umständen ergibt, daß der Schutzzweck der Norm nicht tangiert wird. Der BGH hat nunmehr ausgesprochen, daß es auch genügt, wenn bereits der Inhalt der Darstellung alleine in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der nationalsozialistischen Ideologie und das Ziel von deren Bekämpfung zum Ausdruck bringt. Er hat weiter ausgesprochen, daß dies auch für den massenhaften Vertrieb - und dann wohl auch für die massenhafte Verwendung - gilt. Es sei nicht damit zu rechnen, daß Anhänger des Nationalsozialismus diese oder vergleichbare Symbole für sich verwenden würden.

Diese Entscheidung ist sicherlich gut vertretbar, mit der bisherigen Rechtsprechung vereinbar, und sorgt vor allem für eine Klärung der bisher umstrittenen Rechtsfrage. Hoffen wir, daß der BGH mit einer Ansicht Recht behält und diese Rechtsprechung nicht zu einer Inflation modifizierter Hakenkreuze und damit in kaum mehr lösbare Abgrenzungsprobleme - und letztenendes dann zum Gesinnungsstrafrecht - führt.

Nicht vergessen sollte man dabei, daß auch die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart - auf der Basis der bisher dazu ergangenen, auch höchstrichterlichen - Rechtsprechung (die leider auch in Fachkreisen offenbar nicht wirklich bekannt ist) durchaus tragfähig war.

Mikado: Entscheidung des Amtsgericht

Das Amtsgericht Halle hat mit Beschluß vom 11.03.2007 - Az. 395 Gs 34/07 - erwartungsgemäß die Rechtmäßigkeit des Vorgehens im sogenannten "Mikado"-Verfahren bestätigt, wie u.a. das Lawblog berichtet. Dort ist auch der Beschluß dokumentiert.

Wie bereits ausgeführt halte ich diese Entscheidung für richtig. Bedenklich ist meines Erachtens aber die Bewertung, die Beschwerdeführer seien durch den bloßen Besitz einer Kreditkarte und die damit erfolge Einbeziehung ihrer Datensätze in die Abfrage in ihren Rechten betroffen. Logisch fortgeführt bedeutet das, daß gegen jede Halterabfrage eines Kfz-Kennzeichens der Rechtsweg durch jeden Kraftfahrzeughalter eröffnet ist, sind doch seine Datensätze zwingend von dieser Abfrage - bei der die Datenbank der Kraftfahrzeughalter auf den- oder diejenigen Datensatz/Datensätze durchsucht wird, auf den oder die das Kennzeichen (oder das bekannte Teilkennzeichen) paßt - betroffen.

Pornographie in virtuellen Welten

Bei NTV fand sich dieser Tage ein interessanter Beitrag über die rechtliche Beurteilung pornographischer Live-Darstellungen in MMORPG, also großen Multiplayer-Online-Rollenspielen wie bspw. "Second Life".

Obwohl es nicht  besonders überraschend sein sollte, daß die Verbreitung von Pornographie an Minderjährige und von Gewalt- und Tierpornographie grundsätzlich strafbar ist, genauso wenig, wie es nicht darauf ankommt, ob es sich um Texte, Fotos oder Zeichungen im weitesten Sinne, einschließlich Comics und Computeranimationen handelt, gab es darüber offenbar doch einiges an Erstaunen. Man sollte sich daher dabei vor Augen halten, daß eben gerade nicht "virtuelles" Handeln plötzlich strafbewehrt wird - die Vergleiche mit der strafrechtlichen Ahndung von erschossenen Aliens in einem Computerspiel als "virtuellen Mord" gehen daher völlig fehl -, schließlich ist die "Live-Darstellung" von Pornographie im realen Leben (von Ausnahmen abgesehen) gerade nicht strafbar. Sehr wohl strafbar ist aber die Verbreitung bestimmter Arten von pornogrpahischen Schriften und Darstellungen, bzw. die Verbreitung auf eine bestimmte Art und Weise, sowie deren Übertragung, bspw. im Fernsehen. Und genau das passiert, wenn "Avatare Sex haben".

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Unkenntnis führt zu Strafverfolgung

"Unkenntnis schützt vor Strafe nicht", so spricht der Volksmund - nicht ganz zutreffend - aus. Manchmal führt Unkenntnis aber auch zur Strafverfolgung: nämlich dann, wenn diese Unkenntnis auf Seiten der Strafverfolger besteht.

Ein solcher Fall liegt bei der von "Spiegel online" berichteten Einleitung von mehreren hundert Ermittlungsverfahren gegen Ebay-Kunden wegen des Verdachts der Hehlerei nahe. Daß der Ankauf von Gegenständen zu einem geradezu lächerlichen Preis (hier: 1,- EUR als Erstgebot) ohne erkennbare Begründung für ebendiesen insbesondere im Zusammentreffen mit anderen auffälligen Umständen den Anfangsverdacht der bedingt vorsätzlichen Hehlerei begründet, ist nämlich grundsätzlich richtig und auch nicht neu. Wer - bspw. - die berühmten “vom Lkw gefallenen”, ersichtlich unbeschädigten HiFi-Geräte im Wert von mehreren hundert oder tausend Euro für einen Fünfziger direkt von der Ladefläche eines geparkten Miet-Lkw in einer Nebenstraße kauft, nimmt eben regelmäßig zumindest billigend in Kauf, daß diese Waren nicht aus legaler Quelle stammen. Soweit hat die ermittelnde Staatsanwaltschaft recht.

Diese Überlegungen auf Ebay zu übertragen ist allerdings unsinnig und rechtlich falsch, weil dort auch hochwertige Gegenstände mit einem Anfangsgebot von 1,- EUR eingestellt werden. Das ist - ebenso wie das ganze Bieterverhalten dort an sich und noch einiges andere - natürlich völlig widersinnig und kaum logisch begreifbar, aber es ist Fakt (und wird dann in der Praxis wohl meist durch das Überbieten mit Fake-Accounts, Nichtlieferung ohne Begründung oder angeblichen Verlust der Ware “gelöst”, in der sicheren Annahme, daß deshalb schon keiner vor Gericht ziehen wird). Daher ist die Annahme der Staatsanwaltschaft hier ersichtlich falsch; man darf vermuten, daß sie aus der angesprochenen Unkenntnis der Üblichkeiten des Handels bei Ebay resultiert. Berücksichtigen muß man dabei wohl, daß jemand, der sich mit dem Ebay-Handel nicht auskennt, schlicht nicht verstehen können wird, wie man hochwertige Gegenstände für lächerliche Beträge anbietet, eben *weil* es so widersinnig ist und jedwedem logischen Denken und der bisherigen Lebenserfahrung Hohn spricht.

Glücksspiel aus strafrechtlicher Sicht

Insbesondere im Zusammenhang mit dem (Online-)Pokerspiel wird zunehmend diskutiert, ob es sich in strafrechtlicher Hinsicht um ein Glücksspiel handelt. Wer will sich schon durch das Mitspielen beim Online-Poker strafbar machen? (Dazu sei übrigens auf den sehr hörenswerten Beitrag der Kanzlei Dr. Bahr verwiesen.) Auszugehen ist dabei von der Definition des Glücksspiels im strafrechtlichen Sinne:

Ein Glücksspiel - das u.a. von Geschicklichkeits- und Unterhaltungsspielen abzugrenzen ist - ist "ein nach vorbestimmten Regeln verlaufendes ‘Spielen’ um Gewinn oder Verlust, dh ein -zumeist einfach strukturiertes - Handeln, bei dem die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, das seiner generellen Bestimmung nach auf die Erzielung eines geldwerten Gewinns ausgerichtet ist und in dessen Rahmen für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgeld verlangt wird" (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 284 Rz. 4).

Folgende Voraussetzungen müssen demnach kumulativ zusammenkommen:

  • Es wird für das Spiel ein nicht ganz unerheblicher Einsatz verlangt, durch den die Chance auf den erstrebten Vorteil - den Gewinn - erlangt wird (aaO, Rz. 5).
  • Es muss die Möglichkeit eines nicht ganz unbedeutenden, geldwerten Gewinnes geben (aaO, Rz. 7).
  • Die zufallsbedingte, nur mathematische Gewinnwahrscheinlichkeit läßt sich durch individuelle Anstrengung nicht wesentlich verbessern. Die "Entscheidung über Gewinn oder Verlust [hängt] nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler [ab], sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall. Massgebend dafür sind die Spielverhältnisse, unter denen das Spiel eröffnet ist und gewöhnlich betrieben wird, also die Fähigkeiten und Erfahrungen des Durchschnittsspielers" (BGH, 1 StR 739/51).
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Weitere Mikadostäbchen

Das Mikado-Verfahren schlägt weiter hohe Wellen. Daher möchte ich noch einige Bemerkungen ergänzen.

1. Knackpunkt des Verfahrens dürfte wohl die Verpflichtung der Bankmitarbeiter sein, als Zeugen Angaben zu dem entsprechenden Sachverhalt zu machen; an dem Vorliegen eines Anfangsverdachtes und dem Nichtvorliegen einer Rasterfahndung bestehen meines Erachtens keine ernsthaften Bedenken. Problematisch dürfte aber sein, daß es heutzutage schlicht keinen Bankmitarbeiter geben wird, der Transaktionen bestimmter Kunden bearbeitet, so daß er darüber Auskunft geben könnte; es besteht nämlich zwar eine Verpflichtung des Zeugen, sich ggf. des von ihm wahrgenommenen Sachverhaltes noch einmal zu vergewissern und dazu zur Auffrischung des Gedächtnisses auch Unterlagen zu Rate zu ziehen. Jedoch besteht keine Verpflichtung, sich erst Informationen zu Vorgängen zu verschaffen, die man tatsächlich bis dato noch nicht wahrgenommen hat. Eine weitergehende Auslegung, die auch Vorgänge umfaßt, die der Zeuge hätte wahrnehmen können bzw. die sozusagen zu seiner "Wahrnehmungssphäre" gehören, erscheint mir fraglich.

2. Das ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit eines solchen Auskunftsersuchens; die Ermittlungsbehörden dürfen durchaus fragen, und die Banken dürfen auch antworten, selbst wenn sie wissen, daß es keinen informierten Mitarbeiter gibt, der für eine Zeugenladung in Betracht kommt bzw. weitergehende Auskünfte geben kann.

3. Datenschutzrechtlich ist das Vorgehen nicht zu beanstanden. § 28 Abs. 3 Nr. 2 BDSG gestattet die Datenweitergabe, soweit dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

4. Diejenigen Kreditkarteninhaber, deren Daten nicht zum Auswertungsergebnis gehören, sind von der Maßnahme gar nicht erst betroffen.

Mikadostäbchen

In den letzten Tagen bewegten die Ermittlungsmaßnahmen des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt und der Staatsanwaltschaft Halle im Zusammenhang mit der Verbreitung und dem Sichverschaffen von Kinderpornographie im Internet die Gemüter - nicht nur der Spiegel berichtete. Wenn man die Presse, vor allem aber Stellungnahmen in diversen Onlinemedien - Blogs, Diskussionsforen usw. - studiert, bekommt man den Eindruck, dort hätten einige übermotivierte Fahnder ohne jede rechtliche Grundlage Kreditinstitute durch erfundene Drohungen gezwungen, sie alle Kreditkartenkonten bundesweit durchschnüffeln zu lassen, um dabei zu gucken, ob nicht irgendwann mal irgendjemand Kinderpornographie gekauft hat, denn in solchen Fällen rechtfertigt der Zweck die Mittel. Es fallen Stichworte wie Generalverdacht, Willkür, Rastfahndung und Polizeistaat. Das rechtfertigt es, sich einmal aus rechtlicher Sicht mit den Maßnahmen zu beschäftigen, soweit sich der tatsächliche Sachverhalt aus der Presseberichterstattung erahnen läßt, um festzustellen, ob es sich wirklich um einen Skandal oder viel Lärm um nichts handelt.

1. Der vermutliche Sachverhalt

Auf einer Webseite wurden gegen Bezahlung kinderpornographische Bilder ("Schriften" im Sinne des umfassenden strafrechtlichen Begriffes) angeboten. Auf die Mitteilung durch einen privaten Fernsehsender hin wurden die Ermittlungen aufgenommen und ergaben, daß gegen Zahlung eines bestimmten Betrages (rund 80,- EUR) per Kreditkarte, abgewickelt durch einen Zahlungsdienstleister auf den Philippinen Zugriff auf die Bilder usw. zu erhalten war. Daraufhin wurden bundesweit alle kartenausgebenden Stellen unter (dem Wortlaut nach nicht bekanntem) Verweis auf eine mögliche Strafbarkeit im Weigerungsfalle aufgefordert, zu überprüfen, ob ihre Kunden den benannten Betrag an den bekannten Dienstleister bezahlt haben; die Unternehmen haben die Daten von über 300 Kunden mitgeteilt, bei denen daraufhin Durchsuchungen stattfanden, die in der Regel offenbar erfolgreich verliefen. Etliche der Beschuldigten sollen einschlägig vorbestraft oder auffällig gewesen sein.

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Durchgestrichene Hakenkreuze

Mit Urteil vom 29.09.2006 hat die als Staatsschutzkammer im Sinne von § 74a Abs. 1 GVG zuständige 18. Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart einen Versandhändler, der Devolutionalien der Punk-Szene, namentlich auch diverse durchgestrichene oder in anderer Weise modifizierte Hakenkreuze, vertreibt, wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer - aufgrund der Höhe nicht im polizeilichen Führungszeugnis zu vermerkenden - Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Diese Entscheidung hat ein bemerkenswertes, aber meist nicht von besonderer Kenntnis der - insbesonderen rechtlichen - Sachlage getrübtes Medienecho nach sich gezogen.

Das gibt Anlaß, diesen Vorgang einmal aus - in erster Linie, aber nicht nur - rechtlicher Sicht näher zu betrachten, was zu dem Ergebnis führt, daß das Urteil der Rechtslage entspricht und insofern richtig ist. (Das bedeutet nicht, daß diese Auslegung zwingend sei und ein anderes Ergebnis nicht gleichfalls vertretbar wäre.)

1. Der Sachverhalt

Der Angeklagte betreibt einen Versandhandel mit diversen Tonträgern, Plakaten, Aufnähern usw., die inhaltlich der linken Punkszene zuzurechnen sind. Dazu gehören auch diverse Motive mit durchgestrichenen Hakenkreuzen, Hakenkreuzen, die von einer Faust zerschmettert werden, Hakenkreuzen, die in den Mülleimer geworfen werden, usw. usf. Mit dieser Symbolik soll die Ablehnung des Nationalsozialismus und von Neonazis ausgedrückt werden.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat nach Durchsuchungsmaßnahmen eine Vielzahl von Artikeln und Katalogen beschlagnahmen lassen und sodann Anklage zum Landgericht erhoben, dies ersichtlich auch, um eine höchstrichterliche Entscheidung der streitigen Frage zu ermgöglichen. Das Landgericht Stuttgart hat in früheren Jahren in mehreren Beschwerdeentscheidungen die rechtliche Beurteilung der Staatsanwaltschaft bestätigt. In diesem Fall hat die Strafkammer jedoch zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt; erst auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Stuttgart das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet (Beschluß vom 18. Mai 2006, 1 Ws 120/06). Daraufhin erging dann - unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des OLG - das jetzige landgerichtliche Urteil, das durch den Angeklagten mit der Revision zum BGH angegriffen wird.

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Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Computerkriminalität

Die Bundesregierung hat heute den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur besseren Bekämpfung der Computerkriminalität in Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme sowie des Europarat-Übereinkommens über Computerkriminalität beschlossen.

Begrüßenswert ist, daß künftig nicht nur das Verschaffen besonders gesicherter Daten strafbar sein soll, sondern bereits das Verschaffen des Zugangs zu diesen Daten. Die Neufassung des § 202a StGB entspricht dem besonderes Gewicht des Datenschutzes und dürfte auch Beweisschwierigkeiten beseitigen. Gleichfalls zu begrüßen ist die vorgesehene Ausweitung der Vorschriften über Computersabotage auf private Datenverarbeitungsanlage und die auch strafrechtliche Sanktionierung von (d)DOS-Angriffen durch die Neufassung des § 303b StGB, die zugleich eine Qualifikation für besonders schwere Fälle vorsieht.

Ergänzt wird der bestehende strafrechtliche Schutz der Übermittlungswege gegen den Zugriff von Mitarbeitern von Telekommunikations- und Postunternehmen (Post- und Fernmeldegeheimnis, § 206 StGB) und gegen das Belauschen von Telefon- und Briefkommunikation (§§ 201, 202 StGB) nun durch den Schutz elektronisch übertragener Daten, gleichviel, ob drahtgebunden oder drahtlos, auch gegen Dritte, die nicht beruflich Telekommunikationsdienste erbringen.

Bedenken erregt die vorgesehene Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen in § 202c StGB, soweit nicht nur berechtigter Weise das Verschaffen, Verkaufen, Zugänglichmachen usw. von Paßworten und Sicherheitscodes unter Strafe gestellt werden soll, sondern auch der Umgang mit sog. "Hacker-Tools", d.h. "Computerprogrammen, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat [im Sinne dee §§ 202a, 202b StGB] ist". Ich fürchte, daß es schwierig sein wird, Tools zur Sicherheits- und Netzwerkanalyse sowie zum (automatisierten) Finden von Schwachstellen von "Cracking"programmen oder Exploits - einschließlich sog. "proofs of concept" - sauber zu trennen. Zwar halte ich es durchaus für berechtigt, jedenfalls aber zur Erreichung des Schutzzieles für vertretbar, Software, die gezielt und nur dem Eindringen in fremde Systeme dient, zu kriminalisieren; die Veröffentlichung eines "proof of concept" mag zwar im Sinne von "full disclosure" von mancher Seite für wünschenswert gehalten werden, sie ist aber jedenfalls nicht zwingend. Jedoch steht zu befürchten, daß - soll die Strafnorm insoweit nicht völlig leer laufen - auch "neutrale" Anwendungen erfaßt werden; man denke nur an Software wie "John the Ripper" o.ä., die dem automatisierten Brechen von Paßworten dienen, aber durchaus legitime Anwendungen - nämlich zur Prüfung und Sicherstellung der Paßwortsicherheit! - dienen und auch verwendet werden, von Netzwerkanalysesoftware im weitesten Sinne gar nicht zu reden.

Ich fürchte, so sehr es notwendig und wünschenswert ist, den teilweise eingerissenen Wildwestmanieren Einhalt zu gebieten, so sehr schießt diese Regelung (§ 202c Abs. 1 Nr. 2 RegE) über das Ziel hinaus.

Das BVerfG zum Fernmeldegeheimnis

Die lange erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Erstreckung des Fernmeldegeheimnis auch auf im Endgerät gespeicherte Nachrichten und Verbindungsdaten sowie sonstige Manifestationen dieser (bis hin zu ausgedrucdkten Einzelgesprächsnachweisen!) ist heute gefallen - und dankenswerterweise hat sich das höchste deutsche Gericht korrigiert und an den eher seltsamen Auffassungen in seinem früheren Kammerbeschluss, der Gegenstand umfangreicher - ablehnender und verständnisloser, in der Regel auch die Bindungswirkung bestreitender - Besprechungen wurde, nicht festgehalten.

In der Sache hat die betroffene Heidelberger Amtsrichterin natürlich dennoch Recht erhalten; daran bestand allerdings von vornherein wenig Zweifel.

Mehr dazu, auch mit den notwendigen Vergleichen zum Postgeheimnis, die ich mir daher hier ersparen kann, beim Sartorienfelder.

Freispruch in der zweiten Instanz

Am heutigen Tag fand vor der 38. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart die Berufungshauptversammlung gegen Alvar Freude statt, der im Oktober vergangenen Jahres aufgrund der Verlinkung der von den Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf betroffenen gewaltverherrlichenden und rechtsextremistischen Webpräsenzen durch sein Projekt odem.org zu 120 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt wurde.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Freude wurde freigesprochen - die Urteilsbegründung kann ich leider nicht beisteuern, da ich unmittelbar nach dem Tenor auf dem Weg zu einem anderen Termin davoneilen mußte.

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"Was ist ein Link?"

Heute in dem gut gefüllten Sitzungssaal 305 im Amtsgericht Stuttgart: Alvar Freude, Betreiber von odem.org, wird wg. der Verlinkung von rechtsextremistischen Webseiten und rotten.com zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Davor liegen knapp zwei recht enttäuschende Stunden.

Der Staatsanwalt, der die Sitzungsvertretung wahrnahm, ließ zwar vermuten, was ihn zur Strafverfolgung bewegt hat (nämlich die Annahme, daß auf diese Weise weitere Jugendliche mit den Inhalten der NSDAP-Nachfolgeorganisationen konfrontiert werden und einige sich davon einlullen lassen), blieb in seinem frei gehaltenen Plädoyer in den rechtlichen Ausführungen dann aber doch recht dünn, ohne für die Zuhörer verständlich herauszuarbeiten, wo, bei welchem der juristischen Knackpunkte des Falles, er die Strafbarkeit letztendlich bejaht.

Die Vorsitzende, die ein wenig den Eindruck machte, von einer Erkältung angeschlagen zu sein, wurde in der mündlichen Urteilsbegründung noch weniger konkret und zog sich aufs Apodiktische zurück.

Der Angeklagte bestritt den zeitlich wesentlichen Teil der Verhandlung, nach meinem Eindruck aber mit einer eher fatalen Selbstdarstellung, die auf die "Knackpunkte" ebenfalls keinen Bezug nahm und eher Anlaß dazu bot, sich in Mutmaßungen bestärkt zu fühlen, es sei bei der streitgegenständlichen Verlinkung doch vielleicht eher um Provokation und eine andere Ansicht von Meinungsfreiheit gegangen als um eine bloße Dokumentation, bei der die URLs sachnotwendig gefallen sind.

Einzig und allein das - schriftlich vorbereitete - Plädoyer des Verteidigers (Rechtsanwalt Stadler) machte einen - vor allem auch juristisch, das ist ja gerade vor dem Amtsgericht leider keine Selbstverständlichkeit - glänzenden Eindruck. Es bleibt zunächst die Enttäuschung über ein Urteil, das nicht nur - nach meiner Ansicht - rechtlich nicht richtig ist, sondern für das vor allem bislang die eigentlich relevanten und - nicht nur juristisch - interessanten Fragen keine große Rolle gespielt zu haben schienen. Und es bleibt somit auch das Warten auf die schriftliche Urteilsbegründung.

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