Pornographie in virtuellen Welten
Bei NTV fand sich dieser Tage ein interessanter Beitrag über die rechtliche Beurteilung pornographischer Live-Darstellungen in MMORPG, also großen Multiplayer-Online-Rollenspielen wie bspw. "Second Life".
Obwohl es nicht besonders überraschend sein sollte, daß die Verbreitung von Pornographie an Minderjährige und von Gewalt- und Tierpornographie grundsätzlich strafbar ist, genauso wenig, wie es nicht darauf ankommt, ob es sich um Texte, Fotos oder Zeichungen im weitesten Sinne, einschließlich Comics und Computeranimationen handelt, gab es darüber offenbar doch einiges an Erstaunen. Man sollte sich daher dabei vor Augen halten, daß eben gerade nicht "virtuelles" Handeln plötzlich strafbewehrt wird - die Vergleiche mit der strafrechtlichen Ahndung von erschossenen Aliens in einem Computerspiel als "virtuellen Mord" gehen daher völlig fehl -, schließlich ist die "Live-Darstellung" von Pornographie im realen Leben (von Ausnahmen abgesehen) gerade nicht strafbar. Sehr wohl strafbar ist aber die Verbreitung bestimmter Arten von pornogrpahischen Schriften und Darstellungen, bzw. die Verbreitung auf eine bestimmte Art und Weise, sowie deren Übertragung, bspw. im Fernsehen. Und genau das passiert, wenn "Avatare Sex haben".
Ergänzend bzw. richtigstellend zu der sonst gut gelungenen Darstellung sei noch angemerkt, daß ein Besitzverbot nur gilt für (a) Kinderpornographie, die (b) ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt. Wirklichkeitsnah ist ein Geschehen - nur - dann, wenn es sich dem äußeren Erscheinungsbild nach als real darstellt, also für den durchschnittlichen Betrachter wie tatsächlicher sexueller Kindesmissbrauch aussieht. Das schließt bspw. filmische Darstellungen von Kindesmißbrauch, bei dem die Darsteller in Wirklichkeit keine Kinder mehr sind - sondern Jugendliche oder Erwachsene -, ebenso ein wie solcherart zusammengeschnittene Szenen wie auch komplett am Rechner erstellte Szenen, die aber echt aussehen, bei denen der durchschnittliche Betracher also gerade nicht erkennen kann, daß es sich um künstlich erstellte Szenen handelt. Umgekehrt sind erkennbar künstliche Darstellungen ausgeschlossen. Das von Rechtsanwalt Mathé dargestellte Problem mit kindlichen Avataren besteht also in dieser Form nicht.
Zusammenfassend sieht die Rechtslage bezüglich pornographischer Schriften daher ungefähr folgendermaßen aus:
- "Normale" Pornographie darf man - u.a. - nicht so verbreiten, daß Minderjährige diese zu sehen bekommen können (§ 184 StGB).
- Tier- und Gewaltpornographie darf man gar nicht verbreiten und auch nicht beziehen; man darf sie aber besitzen (§ 184a StGB).
- Für Kinderpornographie, die kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, gilt dasselbe wie für Tier- und Gewaltpornographie (§ 184b StGB).
- Für Kinderpornographie mit Realitätsgehalt gilt zudem das Verbot, diese zu besitzen oder es zu unternehmen, sich diese zu verschaffen (§ 184b Abs. 2 und folgende). [Das Verbot des "unternehmens, sich diese zu verschaffen" verlagert die Vollendungsstrafbarkeit noch weiter in den Bereich des Versuchs vor.]
- Die Verbreitung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste - ein solcher liegt im Falle von Online-Spielen wie "Second Life" vor - ist in § 184c StGB dem Verbreiten von Schriften u.ä. gleichgestellt.
- Die Live-Darstellung ist - jenseits der Sonderfälle des Exhibitonismus (§ 183 StGB), der Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB) und des sexuellen Kindesmißbrauchs (§ 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB) - nicht strafbar.
Diese rechtliche Regelung ist dann m.E. auch nicht überraschend, sondern entspricht dem, was man erwarten würde. Überraschend wäre es hingegen, wenn man ansonsten verbotene "harte" Pornos plötzlich deshalb verbreiten oder gar selbst durch Interaktion mit seinem Avatar erzeugen dürfe, weil das "online" und damit nicht real geschehe, eben weil nicht die sexuellen Handlungen an sich unter Strafe gestellt sind, sondern die Darstellung sexueller Handlungen, die genauso gut als Computergraphik möglich ist wie als Zeichnung oder Text, bzw. deren Verbreitung.
Offensichtlich hat sich das aber auch in Fachkreisen noch nicht so recht herumgesprochen.
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