Übernahme der "Einrichtungsregeln"
Vor anderthalb Jahren berichtete ich das letzte Mal hier im Blog darüber, dass ich wieder die Betreuung einer ins Usenet geposteten FAQ übernommen habe; im September war das noch einmal der Fall, wurde aber nur im Changelog meiner Webseiten dokumentiert. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist das ein kontinuierlich wiederkehrendes Thema: immer wieder schlage ich Änderungen oder Ergänzungen für eine FAQ oder einen anderen im Usenet geposteten Text vor, und (fast) jedes Mal führt das zu der Feststellung, dass der Betreuer der FAQ entweder verschwunden (nicht mehr erreichbar) ist oder mitteilt, er sei seit Jahren nicht mehr im Usenet präsent und habe ggf. gar keinen Netzzugang mehr, so dass ich dann stattdessen die Betreuung des Textes übernehme. Dazu kommt noch die eine oder andere Bitte des bisherigen Betreuers, zu übernehmen, oder ein Todesfall … Jedenfalls zeigt eine kurze Strichliste, dass ich mindestens zwanzig regelmäßig gepostete Texte betreue (naja, manche werden gar nicht mehr gepostet), von denen aber nur zwei aus meiner Feder stammen. Alle anderen habe ich übernommen (und in einigen Fällen über die Jahre so sehr verändert, dass sie sich mittlerweile fast wie meine eigenen Texte anfühlen).
Begonnen hatte das 2010 mit dem sog. “dana-manual”, dessen Maintainer entschwunden war und dessen Betreuung ich zusammen mit Michael Ottenbruch übernommen habe. Danach kam der große Text zu den Möglichkeiten der Mitgestaltung des Usenets, und danach ging es immer weiter.
2010 war wohl auch das Jahr, in dem mir bewusst wurde, dass die (Hoch-)Zeit des Usenets mehr oder weniger vorbei ist. Natürlich waren schon vorher über die Jahre immer mehr Regulars und gewohnte Namen verschwunden, ohne dass neue “Gesichter” dazukamen; natürlich wurde es in vielen Gruppen stiller, und es gab die üblichen Diskussionen darüber. 2010 hatte ich dann aber festgestellt, dass “da draußen” nicht - wie bisher - immer neue Newsgroups und Welten warten, die man nur entdecken muss, wenn man denn die Zeit dafür findet, sondern dass diese Welten mittlerweile vergangen sind und die Infrastruktur allerorts zu bröckeln beginnt. Diese Erkenntnis begann, als ich zum Jahreswechsel 2009/2010 einmal systematisch die deutschsprachigen Regionalhierarchien zusammenstellen wollte. Das Projekt DE-Regio, geplant als spannender Abstecher in neue Welten, führte stattdessen zu der Erkenntnis, dass da draußen nichts mehr ist. Und das setzte sich dann fort: mit der Übernahme von FAQs, mit der Übernahme anderer Tätigkeiten (wie bspw. der Statistiken in - heute wieder - de.admin.news.lists oder der Übernahme von Moderationstätigkeiten) oder auch einfach der Erkenntnis, der letzte oder einer der letzten Aktiven geblieben zu sein (bei den GVV, bei der Moderation von de.newusers.questions, in der Moderation von de.admin.news.announce usw.). Einige Zeit habe ich das noch als Chance gesehen: wenn ich nur mehr Zeit hätte, wenn man nur Ressourcen bündeln würde, wenn man sich nur einigen und mal etwas ganz neues versuchen würde … Mit dem viel zu frühen Tod von Alexander Bartolich 2012 war mir dann aber klar, dass daraus wohl nichts mehr werden würde, weil damit eine (oder die ) treibende Kraft für Neuerungen im Usenet verschwunden war.
Nun gut. Genug der Rückschau.
Dieser Tage habe ich nun jedenfalls auch die Betreuung der Einrichtungsregeln (“Regeln für die Einrichtung, Änderung und Entfernung von Usenet-Gruppen in de.*”) übernommen; dabei handelt es sich nicht um eine FAQ im eigentlichen Sinne, sondern um einen quasi normativen Text. Außerdem habe ich bei dieser Gelegenheit alle vorherigen Fassungen der Regeln seit 02/1999 in mein Git-Repository aufgenommen, so dass sich zumindest für die vergangenen 23 Jahre alle Änderungen einfach per diff
nachvollziehen lassen.
Hintergrund der Übernahme war - ähnlich wie 2010 bei der Übernahme des “dana-Manuals”, und damit schließt sich sozusagen der Kreis - eine Änderung des Regeltextes: mit den Posting- und Teilnehmerzahlen ist über die letzten Jahre und Jahrzehnte auch die Anzahl der Interessenten an der Administration des deutschsprachigen Usenets gefallen. Es gab schon viele Jahre lang praktisch keine Änderungsvorschläge mehr, aber wenn es sie einmal gab, wurde die in den Regeln vorgesehene Mindestanzahl an JA-Stimmen (“Mindestzustimmung”) problematisch. Dieses Jahr war es dann soweit: zwei (von mir vorgeschlagene) völlig unstrittige Änderungen erreichten nicht nur mühelos die Zwei-Drittel-Mehrheit, sondern wurden mit 45:1 bzw. 43:2 Stimmen angenommen, verfehlten aber die Mindestzustimmung von 50 Stimmen. Dieser Wert lag ganz früher einmal bei 30 Stimmen, dann lange Jahre bei 60, schließlich (seit 2011, nach mehreren Anläufen zur Absenkung) bei 50; all das zu Zeiten, wo (bei der letzten Erhöhung 1998) im Schnitt fast 180 Stimmen abgegeben wurden und später (2011) immerhin noch rund 90. Dieser Schnitt ist dann kontinuierlich gefallen.
Daher hatte ich vorgeschlagen, die Mindestzustimmung nunmehr deutlich abzusenken, mindestens auf 20 JA-Stimmen; andere Diskutanten schlugen sogar die Abschaffung der Mindestzustimmung vor. Am Ende gab es dann nicht nur überraschend viele Teilnehmer an dieser Abstimmung (nämlich mehr als 100!), sondern auch eine Absenkung der Mindestzustimmung auf 15 JA-Stimmen. Nachdem ich dieses Verfahren als Proponent in die Wege geleitet und als Votetaker die Abstimmung ausgezählt hatte, war es nun meine Aufgabe als Umsetzungsbeauftragter der Moderation von de.admin.news.announce, das Ergebnis durch Änderung des Regeltextes zum Vollzug zu bringen. Zu diesem Zweck musste ich dann zunächst dessen Betreuung übernehmen …
Und das ist dann wieder ein Beispiel dafür, wie dünn die “Personaldecke” im Usenet geworden ist, wenn der Proponent nicht nur die Abstimmung selbst leitet (in den Anfangszeiten üblich, später aber lange Jahrzehnte eine Domäne der GVV, die jetzt noch zu zweit sind; einer davon bin ich), sondern auch umsetzt und dann am Ende zudem den geänderten Regeltext betreut …
Kommentare
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mitch am :
Bist Du diese Personalunion, von der man öfter liest?
Auf jeden Fall Danke für Deinen Einsatz! Bei mir hat’s nicht für mehr als einen Server zu betreiben gereicht
Und ich erinnere mich noch an früher, da habe ich auch mitgewählt, wenn eine Abstimmung durch die von mir gelesenen Gruppen flatterte. Das ist echt aus der Mode gekommen.
Frohe Feiertage!
Thomas Hochstein am :
Ich habe allmählich das Gefühl, dass ich - so Gott will - mal derjenige sein werde, der das Licht ausmacht.
Gerne, und: sehr viel mehr als einen Server zu betreiben kann man ja kaum tun!
Naja, es gibt ja nun auch nicht mehr so viele Abstimmungen. Im Prinzip müsste man mal einen Haufen leere Gruppen entsorgen und ein paar für "moderne" Themen anlegen, aber ich vermute fast, dass es am Interesse dafür fehlen wird.
Dir ebenfalls!