Shadowrun Returns
Einen guten Monat ist es her, dass ich das letzte Mal berichtete, schon wieder ein neues CRPG ausprobiert zu haben; damals war es Path of Exile. Und … nun gut, ich habe es schon wieder getan. Sogar in mehrerlei Hinsicht.
In meinem Lesetagebuch zum Jahr 2020 schrieb ich u.a.:
Aus irgendwelchen Gründen hatte ich dann wieder Lust of “Shadowrun”; acht Bücher später - die meisten nicht besonders gut; eigentlich waren die weitaus meisten sogar ziemlich schlecht - war mir die Lust dann aber wieder vergangen.
So ging es mir auch jetzt wieder; an den Wochenenden im Juli habe ich Anthologien wie Shadowrun: Spells and Chrome oder Shadowrun: World of Shadows gelesen. Das brachte mich dann wieder etwas auf den Geschmack … und zugleich stolperte ich auf Steam über Shadowrun Returns, ein Shadowrun-CRPG. Und das wollte ich dann direkt ausprobieren.
Von der Optik her ähnelt das via Kickstarter finanzierte Spiel aus dem Jahre 2013 ein wenig Baldur’s Gate, finde ich; jedenfalls sind die Figuren ähnlich groß bzw. klein. Es ist aber keineswegs ein Spiel mit einer vergleichbar offenen Welt.
Charaktererstellung und -entwicklung
Zu erstellen haben wir einen Charakter, unseren Hauptcharakter - für spätere Missionen (oder Quests) bekommen wir dann (wechselnde) Unterstützung hinzu.
Nach der - spieltechnisch irrelevanten - Auswahl des Geschlechts steht die Wahl der Rasse an; zur Auswahl stehen Menschen, Elben, Zwerge, Orks und Trollen. Jede Rasse bekommt bei einer Eigenschaft einen Bonuspunkt und hat zugleich rassenspezifische Obergrenzen für bestimmte andere Eigenschaften. Danach müssen wir uns für eine Klasse entscheiden; wenn wir das wollen. Auch Shadowrun Returns setzt auf die Möglichkeit zur freien Charakterentwicklung, bietet aber “Archetypen” an, bei denen ein Teil der verfügbaren Punkte bereits auf die Eigenschaften verteilt ist: den Street Samurai, den Magier, den Decker (Hacker), den Rigger (der Fahrzeuge hackt und fernsteuert), den Schamanen und den Physical Adept, einen Magier, der seine Fähigkeiten zur Unterstützung seiner physischen Kampfkünste verwendet. Stattdessen können wir aber alle Punkte auch selbst frei auf die Eigenschaften verteilen. In jedem Fall sind - nach der Möglichkeit, das Aussehen unserer Figur anzupassen - die noch verbleibenden “Karma”-Punkte zu verteilen.
Shadowrun Returns kennt einige grundlegende Eigenschaften, denen dann weitere Fähigkeiten zugeordnet sind. Body ist die Widerstandsfähigkeit gegen physische Angriffe; jeder Punkt hier verschafft uns 10 zusätzliche Hitpoints. Quickness hilft beim Ausweichen, betrifft vor allem aber die Trefferchance bei Fernwaffen - diese Fähigkeit ist der Quickness untergeordnet, und unterhalb dieser Fähigkeit wiederum finden sich einzelne Waffen wie Pistole, Maschinenpistole, Schrotflinte und Gewehr. Auf gleicher Ebene wie die Fernwaffenfähigkeit wiederum steht das Ausweichen. Strength ist für die Trefferchance im Nahkampf und beim Werfen zuständig; dementsprechend sind die Unterfähigkeiten. Intelligence brauchen Decker und Rigger für den Kampf und das Ausweichen im Cyberspace (oder mit Dronen); auch hier gibt es entsprechende Unterfähigkeiten. Willpower betrifft magische Angriffe und hat als Unterpunkte “Spellcasting” (für Magier) und “Chi Casting” (für Physical Adepts). Charisma schließlich ist nicht nur notwendig, um manche Auswahlmöglichkeiten in der Kommunikation mit NPCs freitzuschalten, sondern betrifft vor allen den Bereich des “Summoning”, also der Beschwörung von Kreaturen, und damit den Schamanen.
Die Kosten für die Erhöhung von Eigenschaften steigen dabei an; um eine Eigenschaft auf den Wert “1” zu steigern, benötigt man einen Karmapunkt, aber von dort nach “2” sind es schon zwei, usw. Um also eine Eigenschaft auf “5” zu steigern, benötigt man 1+2+3+4+5 = 15 Karmapunkte (die also die Funktion von Erfahrungspunkten haben, allerdings direkt umgesetzt werden können). Zudem kann man eine Eigenschaft nur so weit steigern, wie man die übergeordnete Eigenschaft gesteigert hat. Will ich also meinen Skill mit dem Sturmgewehr auf “3” erhöhen, muss ich vorher zuerst “Quickness” und dann “Fernwaffen” auf diesen Wert steigern. Das bedeutet automatisch auch, dass ein “Jack of all trades” nicht funktioniert, sondern Spezialisierung geboten ist. Als Ausgleich dafür werden manchmal bei jeder Steigerung einer Fähigkeit, sonst aber immerhin alle paar Steigerungsstufen besondere Fähigkeiten freigeschaltet.
Abschließend kann ich mich noch für den Erwerb bestimmter Umgangsformen entscheiden, d.h. festlegen, ob mein Charakter sich mehr im geschäftlichen Bereich wohlfühlt, oder mit Sicherheitsbehörden klarkommt, oder sich mit dem Gang-Umfeld auskennt, Akademiker, Shadowrunner oder “street smart” ist. Auszuwählen ist dabei nur eine der Möglichkeiten, die dann in der Kommunikation mit bestimmten NPC zusätzliche Optionen bieten kann.
Nun muss es noch ein Name sein - und dann geht es los!
Ausrüstung und Bewaffnung
An Ausrüstung gibt es zunächst “Rüstung”; davon kann ich immer eine tragen. Außerdem kann ich bis zu drei Waffe tragen, unter denen ich dann im Kampf wählen kann. Als “Waffe” gilt auch ein “Deck”, also ein mobiler Computer zum Einloggen in die Matrix, und Dronen, die ich als Rigger fernsteuern kann. Dazu kommen bis zu sechs Ausrüstungsgegenstände, bspw. Erste-Hilfe-Kästen zum Wiedergewinn von Hitpoints, Kampfdrogen oder Handgranaten. Außerdem kann ich meinen Körper mit kybernetischen Verbesserungen versehen, bspw. einem “Datajack”, also einem Anschluss am Kopf, um mich in die Matrix einzustöpseln, aber auch verbesserten Muskeln, dickerer Haut usw. Je mehr Implantate, desto geringer werden aber meine magischen Fähigkeiten.
Außerdem kann ich hinzugewonnene Karmapunkte jederzeit in eine Verbesserung meiner Eigenschaften investieren.
Bewegung und Kampfsystem
Karten und Charaktere sind in einer isometrischen Draufsicht zu sehen; mit den Cursortasten kann man den Bildschirm über die Karte scrollen, mit Mausklick kann man seinen Charakter (oder seine Party) an einen bestimmten Ort bewegen. Personen, die man ansprechen kann, sind entsprechend markiert; klickt man sie an, kann man in einem Gespräch verschiedene Dialogoptionen auswählen. Relevante Objekte - Schränke, Computer, … - sind ebenfalls mit einem Icon markiert; mit allem anderen kann man gar nicht erst interagieren. Relevante Orte auf der Karte sind ebenfalls markiert, und es gibt auch einen kleinen Kompass, der in die richtige Richtung weist. Dort angekommen kann man auf ein Icon klicken und so auf die nächste Karte wechseln.
Kommt es zum Kampf, kommen die eigenen Charaktere und die Gegner abwechselnd dran; ist man selbst am Zug, kann man sich bewegen oder eine Waffe abfeuern (oder, im Nahkampf, damit zustechen), wobei man die unterschiedliche Reichweite unterschiedlicher Waffen berücksichtigen muss. Außerdem kann man eine Spezialfähigkeit anwenden oder einen der mitgeführten Gegenstände verwenden. All das verbraucht Aktionspunkte; sind sie verbraucht, ist der nächste dran. Magier, Adepten und Schamanen haben Spezialfähigkeiten (“Zauber”); Schamanen können zudem auf “Totems” zurückgreifen, um Kreaturen zu beschwören. Der Decker kann sich, wenn das auf der Karte möglich ist, in die Matrix einloggen - dort läuft Bewegung und Kampf ähnlich wie in der Realwelt, nur sind die “Gegner” Abwehrprogramme und die Waffen sind andere; spieltechnisch ist der Unterschied aber nicht so groß wie optisch. Der Rigger kann Dronen steuern und sie ggf. auch durch Luftschächte bugsieren, um den Gegner von hinten zu überraschen.
Loot gibt es nicht.
Steuerung und Grafik
Die Grafik ist okay, die Steuerung habe ich bereits umschrieben. Sie ist einigermaßen umständlich und manchmal hakelig; so muss man zu einem Gegenstand hinlaufen, ihn dann anklicken, bekommt ggf. nochmal ein Auswahlmenü und muss etwas bestätigen. Auch braucht man gerne mehrere Anläufe, um Dialoge zu starten, und die Charaktere bewegen sich so, als könnte man ihnen beim Laufen die Schuhe besohlen.
Das Spiel ist ansonsten komplett linear: auf jeder Karte ist eine Aufgabe zu lösen, teilweise mit diversen Unteraufgaben (eine Tür zu öffnen, wofür man eine Codekarte braucht, die man herstellen muss, nachdem man jemandem einen Rohling abschwatzen konnte, …), und wenn man die Karte verlässt - was immer nur an einem markierten Übergang möglich ist -, dann folgt (während des Landes) eine textuelle Erläuterung, und danach wird die nächste Karte geladen. Die Aufgaben und Karten sind in einer vorgegebenen Reihenfolge abzuarbeiten; es gibt keinerlei Auswahlmöglichkeiten und auch keine Möglichkeiten zur Rückkehr. Üblicherweise bieten die Karten Kämpfe und kleine Rätsel, die aber vergleichsweise überschaubar sind; immerhin sind alle interaktiven Möglichkeiten ja deutlich markiert.
Im Verlauf der Story tauchen immer mal wieder ein oder mehrere Begleiter auf und verschwinden, die uns dann in den einzelnen Missionen begleiten und im Kampf an unserer Seite stehen. Recht bald finden wir auch einen festen Anlaufpunkt mit diversen Händlern, bei denen wir allerlei Waffen und Ausrüstung kaufen können, und meistens vor einer neuen Mission auch Begleiter anwerben - Söldner freilich, die Geld kosten. Verbessern können wir nur unsere eigenen Skills; die Söldner müssen wir nehmen, wie sie sind. So lässt sich aber bspw., wenn nötig, ein Decker oder Rigger oder auch Schamane oder Magier anwerben. Die Ausrüstung, die wir angehäuft haben, können wir vor einer neuen Mission auf uns und die Söldner verteilen; sie wird in unserem “Stash” verwahrt.
Der Spielstand lässt sich speichern und wird auch regelmäßig automatisch gespeichert. Jederzeit kann man auf Ausrüstung und Skills zugreifen sowie sich die Beschreibung der aktuellen Mission anzeigen lassen.
Story
Grundsätzlich lassen sich mit dem Spiel diverse Szenarien spielen, die bspw. von Fans erstellt werden können; mitgeliefert wird nur das Szenario “The Dead Man’s Switch”. Auswählen kann man noch die Schwierigkeitsstufe.
Der Held des Szenarios ist ein Shadowrunner am Tiefpunkt: kein Geld, keine Aufträge. Da kommt eine Nachricht von einem alten Kumpel: er wurde offenbar getötet und will nun, dass wir seinen Tod aufklären und seinen Mörder zur Rechenschaft ziehen. Wir erinnern uns an alte Zeiten - das bringt uns in eine Kampfszene, in der das Kampfsystem eingeübt werden kann -, und dann ziehen wir los. Der Ablauf ist, wie gesagt, komplett linear; nach etwas mehr als 12 Stunden war ich durch.
Immerhin ist die Story ganz interessant; es stellt sich heraus, nachdem wir den Tod unseres Freundes aufgeklärt haben, dass das erst der Einstieg in die eigentliche Thematik des Spiels ist …
Insgesamt ist das Spiel recht einfach und überschaubar; falsch machen kann man dank des strikt linearen Verlaufs wenig, außer vielleicht Geld oder Karmapunkte zu vergeuden oder sein Team schlecht zusammenzustellen. Der Endkampf ist langwierig und anspruchsvoll, aber sonst erschien mir die Sache recht leicht. Nicht überwältigend, aber ein netter Zeitvertreib, und die Story hält einen bei Laune.
[Nachträglich veröffentlicht im Oktober 2021.]
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