Path of Exile
Allmählich wird es zum Running Gag: mit Divinity: Original Sin 2 hatte ich ein sehr schönes CRPG gefunden, wollte dann aber zwischendurch mal schnell was anderes machen und kam so zu Wasteland 3 - und das ist jetzt schon fast ein halbes Jahr her, so dass ich gar nicht mehr weiß, wo ich bei Divinity stehe und wie die Spielmechanik funktioniert. Als ich bei Wasteland 3 gefühlt bei einem toten Punkt war, habe ich Baldur’s Gate Enhanced Edition angespielt; und jetzt komme ich mit dem mittlerweile vierten CRPG um die Ecke.
Diesmal ist’s aber etwas anderes: denn ich wollte mal wirklich etwas “einfaches” schnell zwischendurch spielen, und das hat auch tatsächlich funktioniert. Path of Exile ist ein Echtzeit-Action-RPG im Stil von Diablo 2, in dem man keine Party, sondern einen einzelnen Charakter durch die Welt führt, und in der Kämpfe usw. in Echtzeit erfolgen. Fühlt man sich so zu einsam, kann man auch gemeinsam mit anderen Spielern in den Kampf ziehen.
Positiv überrascht war ich davon, dass das Spiel tatsächlich eine Hintergrundgeschichte hat, in die man eingeführt wird (wobei, ehrlich gesagt, das meiste wohl an mir vorbeigegangen ist, weil ich den Texten und Hinweisen nicht genug aufmerksam geschenkt, sondern mich mehr auf die Action konzentriert habe).
Das Spiel beginnt mit der Benennung unseres Helden - und das war ungeahnt schwierig, weil die Namen offensichtlich über alle Spielserver hinweg einmalig sein müssen. Ich habe bestimmt deutlich länger als eine Viertelstunde typische und weniger typische Namen aus verschiedensten Zusammenhängen, Werken und Welten ausprobiert, aber alle waren schon belegt. Am Ende habe ich mir einfach irgendetwas aus einem Fantasy-Namen-Generator zusammengeklickt, und das klappte dann. (Für einen Neustart mit einer Hexe als Charakterklasse tat dann Widderwitch seinen Zweck.)
Charaktererstellung und -entwicklung
Danach steht die Wahl der Charakter-Klasse an. Path of Exile setzt auf einen sehr, sehr großen Skill-Tree, der sich in drei Sektoren aufteilt: Stärke-orientierte Skills, Geschicklichkeits-orientierte Skills und Intelligenz-orientierte Skills. Das sind dann auch die drei Attribute, und die sechs Charakterklassen setzen entweder auf eines dieser Attribute oder auf eine Kombination von zweien - und sie beginnen dann in dem Sektor des Skill-Tree, der ihrem Attribut (oder ihrer Attributkombination) entspricht.
Der Marauder setzt auf Stärke; er beginnt mit einer Stärke von 32 und 14 bei den anderen Werten und setzt auf Waffen und Rüstung mit Stärke als primären Attribut; dazu passt als Element das Feuer. Der Ranger setzt auf Geschicklichkeit; dort startet er mit 32 und hat 14 bei den beiden anderen Attributen. Seine Waffen sind Bogen und Rapiere, und er setzt auf Rüstung mit einem hohen Ausweichen-Wert. Sein Element ist Kälte. Die Hexe setzt auf Intelligenz; dort beginnt sie mit 32, 14 bei den beiden anderen Attributen. Sie verwendet Stäbe und Zepter zund setzt auf Rüstungen mit einem Energieschild; ihr Element ist Blitzschlag.
Zwischen Stärke und Geschicklichkeit sitzt der Duelist mit 23 in diesen beiden (und 14 für Intelligenz). Seine Waffen sind Schwerter und Äxte, und er setzt auf stabile Rüstungen, aber auch Ausweichen. Der Templer kombiniert Stärke und Intelligenz; seine Waffen sind Stäbe und Zepter, und er kann sich auf elemantare Angriffe oder Zaubersprüche konzentrieren. Am Ende bleibt der Schatten, ein Assassine, der Geschicklichkeit und Intelligenz kombiniert und mit Dolchen und Klauen kämpft. Er setzt auf kritische Treffer und nutzt Fallen und Minen.
Wer das Spiel zumindest bis Akt 3 gespielt und dort den Scion gerettet hat, kann ab da auch diese Klasse spielen. Der Scion kombiniert alle drei Attribute, startet mit 20 in allen dreien und beginnt genau im Zentrum des Skill-Tree.
Jeder Klasse hat üblicherweise drei (der SCion nur eine) Aufstiegsklassen, mit denen man sich spezialisieren kann.
Ich habe auf einen Templer gesetzt.
Der Stufenaufstieg “passiert” einfach im Spiel; es erhöhen sich die Werte für die Attribute, und es gibt Skill-Points auf dem Skill-Tree zu vergeben. Es macht Sinn, sich auf Skills aus dem eigenen Sektor zu konzentrieren, aber im Grundsatz kann man jeden Skill wählen, der erreichbar ist. Der Weg aus dem Sektor zwischen Stärke und Intelligenz hin zur Geschicklichkeit ist nur sehr, sehr weit …
Ausrüstung und Bewaffnung
Waffen und Rüstung betonen jeweils eines der drei Attribute. So gibt es Waffen, die vor allem hohen physischen Schaden hervorrufen; es gibt Waffen, die sich insbesondere für die Anwendung von Zaubersprüchen mit ihnen eignen, und Waffen, die Boni für Geschicklichkeit geben (bspw. durch kritische Treffer). Die Rüstungen schützen zum einen physisch (Stärke), oder sie haben einen Energieschild (Intelligenz), oder sie erleichtern das Ausweichen. Retrospektiv macht es sicherlich Sinn, sich dabei auf die der eigenen Ausrichtung entsprechenden Typen zu konzentrieren; das habe ich am Anfang nicht ausreichend beachtet.
Waffen und Rüstung kommen in verschiedenen Güteklassen: normal, magisch (blau), selten (gelb) und einmalig (orange). Je höherwertiger, desto mehr Boni kommen ihnen zugute: Magische Gegenstände können ein Präfix und ein Suffix erhalten: ein “Copper Tower Shield” kann bspw. ein “Reinforced Copper Tower Shield” oder ein “Copper Tower Shield of Stone Skin” oder gar ein “Reinforced Copper Tower Shield of Stone Skin” werden. “Reinforced” bedeutet dabei, dass sich der physische Schutz um 15-25% erhöht, und “of Stone Skin” bezieht sich auf eine schnellere Erholung nach betäubenden Angriffen. Seltene Gegenstände haben mindestens drei Modifier und können bis zu drei Prä- und Suffixe erhalten, haben also bis zu sechs Boni. Einmalige Gegenstände haben einen konkreten, einmaligen Namen und feststehende Eigenschaften. Natürlich haben alle Gegenstände auch einen Level; je höher der Level, desto höher die Basiswerte, die dann durch magische oder seltene Verbesserungen erhöht werden. Auch hat jeder Gegenstand Mindestanforderungen an den Level des Charakters und an seine drei Attribute.
Magische, seltene und einmalige Waffen und Rüstungen müssen durch “Schriftrollen der Weisheit” identifiziert werden. Verschiedene Kugeln können aus normalen Gegenstände magische oder seltene machen oder die Eigenschaften modifizieren. Schriftrollen und Kugeln oder - eher - deren Bruchstücke erhält man als Loot.
Unser Held trägt eine Waffe und einen Schild (oder eine Zweihänderwaffe); dabei kann er zwei Sets (eine primäre und eine sekundäre) Waffe tragen und jederzeit auf Knopfdruck austauschen. Zur Rüstung gehören ein Brustpanzer, Helm, Handschuhe und Schuhe sowie ein Gürtel, außedem ist Platz für ein Amulett und zwei Ringe. Überdies lassen sich bis zu fünf Flaschen mit Heil- oder Manatränken oder Tränken zur temporären Verbesserung von Geschwindigkeit usw. bereithalten. Ein 60 Felder umfassendes Inventory lässt Platz für weitere Ausrüstung und Loot; das klingt großzügig, aber große Waffen und Schilde belegen bspw. 8 Felder, und die einzelnen Gegenstände müssen auch räumlich passen. Es nützt mir nichts, wenn ich vier Felder nebeneinander frei habe, aber einen Schuh aufnehmen möchte, der vier Felder im Quadrat braucht.
All das, was man nicht mitnehmen kann, kann man in einer Truhe (Stash) verwahren, die im jeweiligen Stützpunkt steht. Sie bietet fünf große Inventory-Felder; weitere lassen sich ggf. über Mikrotransaktionen dazukaufen.
So weit, so gut - das ist aber noch nicht alles. Alle Waffen und Rüstungen mit Ausnahme des Gürtels enthalten Sockel, die Platz bieten für ein bis fünf magische Edelsteine in drei Farben (grün, rot und blau), wobei diese Sockel teilweise miteinander verbunden sind, teilweise auch nicht. Solche Edelsteine finden sich als Loot und haben verschiedenste Fähigkeiten: Manche haben eine Waffenwirkung, oft als Elementarschaden; teilweise bieten sie diese Waffenwirkung aus sich heraus, dann in der Regel als Zauberspruch, teilweise wirken sie nur an einer Waffe, mit der zugeschlagen wird. Manche können Companions beschwören, manche können Fluch oder Segen bringen (d.h. eine Aura verleihen, die Gegner schwächt oder den Charakter schützt). Wieder andere unterstützen nur die Wirkung anderer Edelsteine; zu diesem Zweck müssen sie in einen Sockel gesetzt werden, der mit dem anderen Edelstein verbunden ist. Und hier, bei diesen Edelsteinen, spielt die Musik, denn sie - und ihre Kombination - machen Waffen, Rüstungen und den Charakter erst wirklich mächtig. Deshalb sollte man nicht nur auf die Eigenschaften von Waffen und Rüstungen achten, sondern auch darauf, wie viele Sockel sie haben, und ob die Farben/Verbindungen passen. Was nützt mir eine Waffe mit besseren Basiswerten, wenn ich nur zwei von meinen bisherigen fünf Edelsteinen dort unterbringen kann? Passen bloß die Farben nicht, gibt es übrigens eine weitere Kugel, mit der sich die Farben (zufällig) ändern lassen … Die Edelsteine leveln bei Benutzung im übrigen auch auf und verbessern sich.
Mit Waffen und Ausrüstung kann im jeweiligen Basis-Camp gehandelt werden - Geld spielt dabei allerdings keine Rolle, für Loot bekommt man vielmehr Schriftrollen (neben der “Schriftrolle der Weisheit” auch sehr wichtig sind “Schriftrollen der Teleportation”, denn nur so kommt man aus einem Dungeon heraus, um sich zu heilen oder - noch wichtiger - Loot zu lagern) und Kugeln oder deren Bruchstücke, und mit dieser “Währung” bezahlt man auch seine Käufe. Zu alledem kommt noch eine Art Crafting-System hinzu: bietet man eine bestimmte Kombination von Gegenständen zum Verkauf, bekommt man dafür einen bestimten anderen Gegenstand angeboten. Diese Kombinationen muss man erst finden; einfach sind die Kombinationen von Heiltränken: drei kleine Flaschen machen eine mittlere, drei mittlere eine große, drei große eine größere, drei größere eine riesige, drei riesige eine gigantische, drei gigantische eine kolossale, drei kolossale eine heilige, drei heilige eine geheiligte, drei geheiligte eine gesegnte … und so weiter.
Kampfsystem
Unser Charakter läuft in Echtzeit durch die Welt, und wenn ihm dort jemand begegnet, ist es fast immer ein Gegner.
Linksklick lässt den Helden nach dort laufen, Linksklick auf einen Gegner greift ihn mit dem Standardangriff der jeweiligen Waffe an: bei Stich- und Hiebwaffen wird zugehauen, bei Fernwaffen und Zaubersprüchen aus der Ferne geschossen. Sobald der Waffe - in der Regel durch einen Edelstein - weitere Angriffsmodi verliehen werden, liegen sie auf der rechten und der mittleren Maustaste, und danach auf der Tastatur (QWERT), und das sogar ggf. in zwei Ebenen (Ctrl+QWERT). Meistens ist der Kampf in höheren Leveln, ehrlich gesagt, etwas schwer durchschaubar. Wir sollten aufpassen, dass unsere Lebensenergie (links auf dem Bildschirm, rot) nicht auf null geht; sie wird ggf. durch einen Energieschirm (blauer Rahmen) geschützt. Auf der anderen Seite des Bildschirms finden wir unseren Manavorrat, für Spezialaktionen/-angriffe; beides wird nicht nur optisch, sondern auch in Zahlen angezeigt. Links finden wir auch unsere fünf Flaschen, die auf den Tasten 1-5 liegen; rechts sind unsere Kampfaktionen und Spezialangriffe dargestellt. Oben rechts findet sich eine Minimap.
Sinnvollerweise kalkulieren wir bei speziellen Gegner ein, dass sie gegen physischen oder elementaren Schaden immun sind oder nur magischen Schaden erleiden können.
Wie üblich hinterlassen tote Gegner Waffen und Ausrüstungsgegenstände sowie Edelsteine und Teile von Schriftrollen und Kugeln, die sich mitnehmen, einlagern und ggf. verkaufen lassen, solange im Inventory Platz ist. Letzteres ist oft ein Problem; selbst wenn man nur die besten Waffen usw. einsammelt, wird der Platz schnell knapp. Zudem gibt es Erfahrungspunkte, die für den Stufenaufstieg sorgen.
Steuerung, Grafik und Story
An der Grafik gibt es nichts zu meckern; die Steuerung hatte ich bereits beschrieben.
Nach dem Start findet sich recht bald das erste Basis-Camp; darin unser Stash, ein Teleportfeld, von aus wir alle anderen Teleportfelder erreichen können, und diverse Personen, mit denen wir handeln können, von denen wir aber auch Informationen und Quests erhalten. Dann geht es los: wir machen uns auf den Weg in den nächsten Bereich, metzeln alles nieder und versuchen unsere Quest zu lösen - als erstes steht immer die Suche nach einem Teleportfeld, damit wir wieder an diese Stelle zurückkönnen, falls wir das Zeitliche segnen. Die Monster entwickeln sich, es kommen Minibosse, Bosse und große Bosse, und nach einiger Zeit haben wir den ersten Akt geschafft und landen im zweiten Akt: eine neue Weltkarte, ein neues Basislager, neue Aufgaben. Wir werden stärker, wir erhalten bessere Waffen und Ausrüstung, neue Edelsteine, wir entwickeln Skills - und ziehen dann wieder los. Natürlich werden auch die Gegner stärker und die Anforderungen höher. Durch die ersten Akte kam ich noch mit dem Wechsel zwischen primärer und sekundärem Angriff, aber irgendwann musste ich mich weiterentwickeln und mich gezielt auf verschiedene Angriffsformen konzentrieren.
Das Spiel wird geprägt durch eine Haupt-Quest und verschiedene Side-Quests; daneben gibt es noch spezielle Quests, die einem bspw. (in jedem Akt) eine “Zuflucht” sichern, die man durch die Teleportfelder aufsuchen kann. Auch dort hat man Zugriff auf den Stash, kann aber bspw. auch eine Werkbank fürs erweiterte Crafting aufbauen. Dann gibt es noch eine Arena, eine Mine … und eine kaum überschaubare Vielfalt an weiteren Spielelementen wie Prophzeiungen usw. usf., die ich noch nicht alle in der Tiefe durchschaut und verstanden habe.
Mein Weg
Naja, meine Ausrüstung und Spezialisierung ist sicherlich nicht optimal, aber ich metzele mich so langsam durch die Akte und bin auf Level 45 und im 4. Akt angekommen. Zwischendurch hatte ich nochmal einen Neustart mit einer Hexe als Charakter versucht, vor allem in dem Wunsch, die ganzen schönen Dinge, für die ich keinen Platz habe, an sie loszuwerden (alle Charaktere teilen sich denselben Stash!), aber ich war ihr mit meinem Erstcharakter schon so weit voraus, dass die Mindestanforderungen an allem, was ich mit diesem so in letzter Zeit gefunden habe, nicht ausreichten …
Insgesamt ist Path of Exile eine ganz nette Abwechslung, wenn man mal etwas “zwischendrin” spielen will; man sollte allerdings etwas Zeit am Stück haben, denn es gibt keinen Pausenmodus, und wenn man länger im “Basislager” wartet oder sich gar ausloggt, dann resetten sich die Dungeons und Gegenden, und alle Monster sind wieder da. Das kann dann etwas nervig werden …
[Nachträglich veröffentlicht im Oktober 2021.]
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