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Die Grenzen richterlicher Rechtsentwicklung

Als "Verkehrsrichter" hat man es nicht leicht, weder in Straf- noch in Bußgeldsachen. Auf der einen Seite soll man die Sünder strafen, auf daß sie sich bessern und im Verkehr nicht wie die Axt im Walde aufführen und neben ihrem eigenen auch Leib und Leben ihrer Mitmenschen gefährden; auf der anderen Seite scheint das "Heilig’s Blechle" und damit auch die Erlaubnis, ein solches zu lenken, oft der Deutschen liebstes Kind, und es hängen nicht nur bei Berufskraftfahrern oft Arbeit und Lebensgestaltung am Führerschein. So haben sich verschiedene Möglichkeiten entwickelt, insbesondere dem Fahrverbot in Bußgeldsachen noch einmal zu entkommen, unter Ausnutzung der Unverbindlichkeit des Verwarnungs- und Bußgeldkatalogs, der nur Behörden binden kann, aber nicht die unabhängigen Gerichte, für die er allenfalls Richtliniencharakter hat. Verbreitet ist bspw. die Erhöhung - Verdoppelung - der Geldbuße, um dafür dann vom Fahrverbot abzusehen (§ 4 Abs. 4 BKatV). Ob eine solche Vorgehensweise vom Zweck der Norm her - Strafe und Prävention - sinnvoll ist, sei dahingestellt.

Das OLG Hamm - 2 Ss OWi 803/08 - hatte im vergangenen November einen Fall zu entscheiden, bei dem der erstinstanzlich erkennende Amtsrichter aus Recklinghausen noch kreativer wurde:

"Der Betroffene ist bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten, insoweit wird auf die Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14.04.2008 verwiesen.

Am 18.07.2007 erließ der Landrat des Kreises S einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen.

Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, am 09.06.2007 gegen 14.51 Uhr in S die B-Allee mit dem Pkw […] Fabrikat VW befahren zu haben und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h überschritten zu haben, § 3 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG. Gegen den Betroffenen wurde ein Bußgeld in Höhe von 50,- Euro festgesetzt sowie 1 Punkt.

Der Betroffene wandte sich nicht gegen das Messergebnis.

Das Gericht verdoppelte die Geldbuße auf einen Betrag in Höhe von 100,- Euro und ließ den Punkt, der ansonsten beim Kraftfahrt-Bundesamt einzutragen gewesen wäre entfallen.

Das Gericht hat dabei die Grundsätze der Festsetzung einer Geldbuße in Verbindung mit einem Fahrverbot (Bußgeldkatalog-Verordnung-BKatV) in analoger Anwendung zu Grunde gelegt.

Bezüglich der Festsetzung von Punkten besteht nach Ansicht des Gerichts insofern eine planwidrige Regelungslücke, die im Gesetz keine Stütze findet.

Es liegt jedoch eine vergleichbare Interessenlage vor, die zu Gunsten des Betroffenen gegeben ist.

Das Gericht hat daher die Geldbuße verdoppelt und den Punkt entfallen lassen. Dabei hat das Gericht auch berücksichtigt, dass der Betroffene bislang keine Eintragungen beim Kraftfahrt-Bundesamt hat und in der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen keine Umstände hervorgetreten sind, die darauf schließen lassen, dass gerade bei diesem Betroffenen eine Besinnung auf seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer durch eine Geldbuße nicht zu erwarten ist."

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VE und VP

Anfang der Woche hatte ich kurz das Instrument des "Verdeckten Ermittlers" angesprochen. Aber was ist ein "Verdeckter Ermittler", kurz "VE"?

Es handelt sich beim "Verdeckten Ermittler" (in der StPO geregelt in §§ 110a-110c) um einen entsprechend geschulten und qualifizierten Polizeibeamten, der unter einer sog. "Legende", also einer falschen Identität mit falschem Namen und falscher Lebensgeschichte, auch mit falschen Papieren, insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität ermittelt. Der Einsatz als VE ist nicht ungefährlich; er wird daher oft durch Begleitmaßnahmen wie Observation durch ein Mobiles Einsatzkommando (MEK), Einsatz technischer Mittel oder das Abhören des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes abgesichert. Der VE tritt im Strafverfahren aufgrund der Gefahren, die bei einer Aufdeckung seiner Identität für seine weitere Einsetzbarkeit, aber auch für ihn persönlich drohen, in der Regel nicht selbst auf; wenn, dann wird er in einem anderen Raum vernommen und seine Vernehmung audiovisuell unter Verfremdung von Bild und Ton in den Gerichtssaal übertragen. In der Regel tritt aber sein Führungsbeamter als "Zeuge vom Hörensagen" auf. Die Vernehmung eines VE kann durch das Gericht nicht erzwungen werden; die Polizeibehörden können sich weigern, dessen Identität aufzudecken (§ 96 StPO).

Neben VEs kennt die polizeiliche Praxis auch sog. "nicht offen ermittelnde (Polizei-)Beamte", kurz noeP oder noeB. Das sind Polizeibeamte, die ebenfalls in zivil und ohne Aufdeckung ihrer polizeilichen Tätigkeit ermitteln, aber weder über eine auf Dauer angelegte falsche Identität ("Legende") noch falsche Papiere o.ä. oder besondere Rechte verfügen; ihr Einsatz ist nicht gesetzlich geregelt. Eingesetzt werden sie bspw. als Scheinkäufer in der offenen Drogenszene.

Im Unterschied dazu sind sogenannte "Vertrauenspersonen" (VP, auch "V-Leute" oder schlicht "Spitzel") weder Polizeibeamte noch besonders geschult. Es handelt sich um Privatpersonen, denen von der Staatsanwaltschaft Vertraulichkeit zugesagt wurde, deren Identität also im Strafverfahren nicht aufgedeckt wird (und die auch in der Regel nur der Polizei, nicht der Staatsanwaltschaft bekannt ist), und die aus den verschiedensten Gründen bereit sind, der Polizei Informationen zu liefern, oft auch gegen Geld. Entsprechend ist auch ihre Glaubwürdigkeit zu beurteilen, zumal VP oft selbst aus dem entsprechenden (kriminellen) Milieu stammen.

Beweisverwertungsverbote II: Heimliches Abhören in der Haft

Schon gestern hatte ich über eine Entscheidung des BGH aus dem Januar berichtet, der ein eher ungewöhnliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden zugrunde lag. Damit aber nicht genug; auch im April hatte der BGH über durchaus eigenartige Ermittlungsmaßnahmen zu entscheiden. Auch wenn das Urteil vom 29. April 2009 – 1 StR 701/08 - bei der Dokumentationsstelle des BGH derzeit noch nicht vorliegt, läßt schon die Pressemitteilung erahnen, daß der Sachverhalt nicht alltäglich ist:

Der aus Marokko stammende Angeklagte wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er heiratete eine in Deutschland lebende Marokkanerin, zog zu ihr und besuchte einen Deutschkurs; mit der gleichfalls verheirateten Lehrerin begann er ein außereheliches Verhältnis. Als diese seine plötzlich gestellte Forderung, ihren Mann zu verlassen und mit ihm ins Ausland zu gehen, zurückwies, erpresste er sie mit heimlich hergestellten Aufnahmen des gemeinsamen Geschlechtsverkehrs. Bei einem späteren Treffen entchloss er sich, sie wegen ihrer weiteren Weigerung zu töten, und erwürgte sie. Nach Entdeckung des Verschwindens der Lehrerin geriet der Angeklagte durch Auswertung der Verbindungsdaten der Verstorbenen in Verdacht, diese getötet zu haben, weil sie zuletzt mit ihm telefoniert hatte. Er räumte das Treffen ein, bestritt aber die Tat.

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Beweisverwertungsverbote I: "Vernehmung" durch Verdeckten Ermittler

"Verdeckte Ermittler" (VE) spielen im Straf- und Ermittlungsverfahren eine wichtige Rolle insbesondere bei der Bekämpfung Organisierter Kriminalität. Ihr Einsatz ist jedoch in vielerlei Hinsicht nicht unproblematisch: (potentiell lebens)gefährlich für den VE selbst, schwierig im Umgang unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens und der Unmittelbarkeit der Beweisführung, weil der VE regelmäßig nicht im Zeugenstand auftreten kann und die ihn betreffenden Akten aus Sicherheitsgründen gesperrt sind, so daß zumeist nur der VE-Führer als Zeuge vom Hörensagen auftreten kann und hinsichtlich des VE selbst allenfalls eine Videovernehmung mit Stimmverfremdung in Ausnahmefällen in Betracht kommt.

Jenseits dieser komplexen Fragen gibt es aber - wie bei anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen auch - Fälle, in denen man sich eigentlich nur wundern kann, wie Ermittlungsbehörden und Gerichte auf den Gedanken verfallen sind, in dieser Weise vorzugehen. Über einen solchen Fall hatte Anfang des Jahres der BGH mit Urteil vom 27.01.2009 - 4 StR 296/08 - zu entscheiden.

Die Angeklagte hatte nach den Feststellungen des erkennenden Landgerichts am 23. Juli 2001 ihre zwei Monate alte Tochter Chantal, am 13. September 2001 ihren 20 Monate alten Sohn Pascal sowie am 25. April 2004 ihren am 24. September 2002 geborenen Sohn Kevin jeweils mit einem Kissen erstickt, weil ihr die Kinder, um die sich schon zu Lebzeiten überwiegend andere Personen gekümmert hatten, "lästig" geworden waren, weil sich die Beziehungen zu den jeweiligen Vätern abgekühlt hatten, die Angeklagte neue Beziehungen eingegangen war und die Kinder diesen "im Wege" standen.

Am 30. April 2004 wurde die Angeklagte wegen des Verdachts, ihre drei Kinder getötet zu haben, nach Belehrung über ihre Rechte polizeilich als Beschuldigte vernommen. Sie erklärte, zu dem Tod ihrer Kinder Chantal und Pascal wolle sie keine Angaben machen, weil "die Sache" für sie abgeschlossen sei. Bezüglich ihres Sohnes Kevin war sie zu einer Aussage bereit, stellte jedoch den Vorwurf in Abrede. Auf Vorhalt der gegen sie vorliegenden Verdachtsmomente bestritt sie, ihre Kinder umgebracht zu haben. Schließlich erklärte sie, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen nichts mehr sagen zu wollen.

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Verwertung beschlagnahmter Verteidigerpost

Wie schon in dem Beitrag über die Spielchen mit der Verteidigervollmacht angeklungen ist, ist auch das Verhalten von Strafverteidigern nicht immer so, wie man das angesichts ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege vermuten sollte. Mit einem solchen Verteidiger hatte sich bereits im März auch der 2. Strafsenat des BGH zu befassen (Urteil vom 27.03.2009 - 2 StR 302/08 -).

Der betreffende Strafverteidiger hatte in einem Verfahren seinem damaligen Mandanten gegenüber geäußert, der in dem damaligen Verfahren tätige Vorsitzende Richter sei ein "unfähiger und fauler Richter, an dessen Verstand man mit Fug und Recht zweifeln muss". Diese Äußerung wurde in einem an den Mandanten gerichteten Schreiben des Strafverteidigers festgestellt, das bei der Durchsuchung von dessen Haftraum sichergestellt wurde. Mag diese Feststellung bereits zu Erstaunen führen, weil die Korrespondenz des Beschuldigten mit seinem Verteidiger keiner Kontrolle zu unterliegen pflegt, stellt sich der Sachverhalt, der zu dieser Durchsuchung führte, noch weit ungewöhnlicher dar ("Angeklagter" ist hier nun der Strafverteidiger):

Der Durchsuchung des Haftraums und Beschlagnahme des Briefes liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Der Angeklagte war in dem Verfahren […] vor der 3. (Großen) Strafkammer für den dortigen Angeklagten T. als Verteidiger in der Hauptverhandlung tätig. T. lag u. a. zur Last, versucht zu haben, den Privatdetektiv P. zur Begehung einer räuberischen Erpressung zu bestimmen, indem er ihn beauftragte, den Geschädigten H. gewaltsam zur Unterzeichnung eines von ihm vorgefertigten Kaufvertrages zu zwingen. Dieser Vorwurf beruhte im Wesentlichen auf den Angaben des Zeugen P. Dieser bekundete im Hauptverhandlungstermin vom 21. Juni 2005 der Wahrheit zuwider, dass er T. nicht kenne und dieser nicht sein Auftraggeber gewesen sei. Nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung berichtigte er seine Aussage und erklärte, dass er vor seiner Vernehmung mit dem Verteidiger des T., dem Angeklagten, telefoniert und über seine Aussage gesprochen habe. Aufgrund dieser Aussage leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten und seinen Mitverteidiger wegen des Verdachts der Beihilfe zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung ein. Bei einer Durchsuchung der Kanzleiräume des Angeklagten wurden am 1. Juli 2005 u. a. an der Postkontrolle vorbeigeleitete Schreiben des T. an Zeugen in dem dortigen Verfahren sichergestellt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Trier am 5. Juli 2005 in dem Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten und den Mitverteidiger wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung pp. gemäß §§ 94, 98, 103, 105 StPO auch die Durchsuchung des Haftraums des T. und Beschlagnahme dort vorgefundener Beweismittel an. Gegen den Angeklagten bestehe der Verdacht, Briefe seines Mandanten an der gerichtlichen Postkontrolle vorbei aus der JVA Tr. verbracht und weitergeleitet zu haben, obwohl diese ihrem Inhalt nach dazu geeignet und bestimmt gewesen seien, Zeugen in ihrem Aussageverhalten zu beeinflussen und zu Falschaussagen zu bestimmen. Es sei nicht auszuschließen, dass in gleicher Weise Briefe in die JVA Tr. verbracht und an T. ausgehändigt worden seien.

Am 5. Juli 2005 wurde auf Grund dieses Beschlusses der Haftraum von T. durchsucht und der verfahrensgegenständliche Brief des Angeklagten gefunden. Am 14. Juli 2005 ordnete das Amtsgericht Trier die Beschlagnahme des sichergestellten Schreibens wegen des Verdachts der Beleidigung des Vorsitzenden Richters und des Betruges zum Nachteil seines Mandanten an.

Im Termin vom 15. Juli 2005 legte das Landgericht Trier auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ausschließung des Angeklagten als Verteidiger in dem Verfahren gegen T. die Akten dem Oberlandesgericht Koblenz vor und ordnete gemäß § 138c Abs. 3 StPO das Ruhen seiner Verteidigerrechte an. Das Ausschließungsverfahren wurde vom Oberlandesgericht eingestellt, nachdem der Angeklagte sein Mandat für T. niedergelegt und erklärt hatte, dass er es nicht mehr aufnehmen werde.

Der angeklagte Rechtsanwalt hat sich also nicht nur schriftlich in unangemessener und beleidigender Weise über den Vorsitzenden des erkennden Gerichts geäußert, sondern auch Gefangenenpost - als Verteidigerpost getarnt - an der Postkontrolle vorbeigeschmuggelt und an der Beeinflussung von Zeugen mit dem Ziel der Strafvereitelung durch falsche Aussagen zumindest mitgewirkt.

Wenig überraschend hat er sich dann gegen die Verwertbarkeit des sichergestellen Schreibens gewandt mit dem Argument, dabei handele es sich um Verteidigerkorrespondenz.

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Hans Brox ist tot

Hans Brox, emeritierter Professor für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht, vermutlich mindestens einer Generation von Juristen bekannt als Autor weitverbreiteter Lehrbücher (der "Brox"), ist am 08.06.2009 im Alter von 88 Jahren verstorben.

Strafrechtliche Bewertung von Todes- und Leibesstrafen

Am 22. Mai schrieb ich, animiert durch einen Beitrag in der FAZ und eine darauf basierende Frage im Usenet, über die Frage, inwiefern die Vollstreckung ausländischer Urteile wohl nach deutschem Recht als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund geeignet sei, wenn bspw. ein Todesurteil in den USA vollstreckt wird oder in einem islamisch oder stammesrechtlich geprägten Staat Körperteile amputiert werden (oder, wie im in der FAZ geschilderten Fall, ein Täter geblendet werden soll). Nachdem es dazu (fast erwartungsgemäß ;-)) keine Antworten gab, beantworte ich meine damalige Frage selbst.

Nochmals die damalige Fragestellung:

Wenn im Ausland - man denke an die USA - in einem rechtsförmlichen Verfahren ein Todesurteil gesprochen wird, das dann ein öffentlicher Bediensteter vollstreckt, wie ist dieser Sachverhalt nach deutschem Strafrecht zu beurteilen? Nehmen wir an, der zum Tode verurteilte sei deutscher Staatsbürger, um einen Anknüpfungspunkt (§ 7 Abs. 1 StGB) zu schaffen. Genügt es dann, daß die Hinrichtung in den USA nicht mit Strafe bedroht ist, oder kommt man bei der Prüfung weiter? (Und wie sieht es aus, wenn das entsprechende Verfahren nicht rechtsstaatlichen war - man denke an Todesurteile in totalitären Systemen?)

Wie sieht das bei anderen ausländischen Entscheidungen aus, die bspw. im Rahmen des islamisch geprägten Rechts der Scharia (Hadd-Strafen) verhängt werden, wie die Amputation eines Gliedes als Strafe für Diebstahl? Ändert sich die Beurteilung, wenn die Tat in Deutschland vollzogen, also das Urteil hier vollstreckt wird?

Wie ist es zu beurteilen, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht durch einen Amtsträger vollstreckt wird, sondern durch eine Privatperson, bspw. durch den Geschädigten?
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Keine Repetitorwerbung an der Uni

Der Repetitor hat bereits Generationen von Jurastudenten begleitet und wird dies wohl auch zukünftig tun; im letzten Jahrzehnt haben die Universitäten dem aber zunehmend eigene juristische Examensvorbereitungsangebote gegenübergestellt. Klar, daß man dort die gewerbliche - "unwissenschaftliche" - "Konkurrenz" teilweise unmütig beäugt.

Die Universität Freiburg ist jetzt einen Schritt weiter gegangen und hat die Werbung gewerblicher Repetitorien in den Räumlichkeiten der Uni - und des Studentenwerks, so bspw. der Mensa - unterbunden. Zu Recht, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe am 13.05.2009 - 6 U 50/08 (Kart) - urteilte:

Der Kläger verfolgt mit seiner Klage einen Beseitigungsanspruch (Klageantrag zu 1) und einen Unterlassungsanspruch (Klageantrag zu 2). Seine Auffassung, diese Ansprüche seien nach §§ 21 Abs. 1, 33 Abs. 1 GWB begründet, trifft nicht zu.

Nach § 21 Abs. 1 GWB ist es Unternehmen verboten, ein anderes Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern. Bei einem Verstoß gegen das Boykott-Verbot in § 21 Abs. 1 GWB ist das verrufende Unternehmen nach § 33 Abs. 1 GWB dem betroffenen Unternehmen zur Beseitigung und, bei Begehungsgefahr, zur Unterlassung verpflichtet.

a) Die beklagte Universität ist im hier in Rede stehenden Zusammenhang als Unternehmen anzusehen. […]

f) Die Beklagte hat nicht in der Absicht unbilliger Beeinträchtigung des Klägers gehandelt. Das Verhalten der beklagten Universität zielt allerdings auf eine Beeinträchtigung der Möglichkeiten aller gewerblicher Repetitorien – und damit auch des Klägers – ab, in den Gebäuden der Universität und des Studentenwerks zu werben. Sie handelt damit in der Absicht, den Kläger zu beeinträchtigen. Ihr Verhalten kann jedoch nicht als unbillig angesehen werden. Für die Beurteilung, ob die mit der Sperraufforderung beabsichtigte Beeinträchtigung unbillig ist, kommt es auf eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB an […]. Dabei sind auch Inhalt, Form und Begleitumstände der Aufforderung zu berücksichtigen […]. An der Absicht unbilliger Beeinträchtigung fehlt es etwa dann, wenn der Boykottaufruf der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient […]. So verhält es sich im Streitfall.

Die beklagte Universität ist als Körperschaft öffentlichen Rechts mit der Ausbildung der Studenten betraut. Sie nimmt für sich in Anspruch, ein umfassendes Angebot bereit zu halten, bei dessen Ausschöpfung es den Studenten möglich ist, sich auf die den Studiengang begleitenden oder abschließenden Prüfungen angemessen vorzubereiten. Zu diesem Lehrangebot gehören neben Vorlesungen etwa auch Klausurenkurse, Seminare, Übungen, Wiederholungs- und Vertiefungskurse und dergleichen mehr. Gewerbliche Repetitorien wenden sich an die gleiche Zielgruppe. Sie bieten Studenten entgeltlichen Unterricht an, in dem sie – einzeln oder in Gruppen – auf Prüfungen vorbereitet werden. Mag es auch an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen der Universität und gewerblichen Repetitorien im Sinne des Lauterkeitsrechts fehlen, ist doch nicht zu übersehen, dass das Angebot gewerblicher Repetitorien in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zum Lehrangebot der Universität steht. Das Interesse der Universität ist darauf gerichtet, den Studenten ein Angebot zur Verfügung zu stellen, das es ihnen ermöglicht, bei entsprechender Eignung das Studium aus eigener Kraft, ohne zusätzliche finanzielle Aufwendungen zu bewältigen. Unter diesen Umständen hat sie ein berechtigtes Interesse daran, Werbung gewerblicher Repetitorien in ihren eigenen Räumen zu unterbinden […]. Nichts anderes gilt für die Räume des Studentenwerks, weil es sich dabei um Gebäude handelt, die typischerweise ganz überwiegend von Studenten besucht werden. Nähme es die Beklagte hin, dass in diesen Gebäuden für kommerzielle Werbung bereit gehaltene Flächen auch von gewerblichen Repetitorien genutzt wird, könnte dies den Eindruck erwecken, auch aus ihrer Sicht sei ein Bedürfnis für eine Ergänzung ihres eigenen Angebots durch solche Unternehmen nicht zu bestreiten. Daraus ergibt sich ein berechtigtes Interesse der beklagten Universität daran, Werbung von kommerziellen Repetitorien in ihrem Einflussbereich zu verhindern. […]

Das genannte Interesse der beklagten Universität besteht nicht in gleichem Maße in Bezug auf Unternehmen, die andersartige Waren oder Leistungen bewerben. Das Vorgehen der Beklagten kann daher nicht als willkürlich angesehen werden. Das Verhalten der Beklagten ist auch der Form und den Begleitumständen nach nicht zu beanstanden. Sie hat sich darauf beschränkt, ihr Anliegen durch eine interne Aufforderung an T. zu verfolgen. Dass sie sich darüber hinaus – abgesehen von ihrer Rechtsverteidigung im vorliegenden Prozess – öffentlich geäußert hätte, insbesondere die fachliche Qualifikation des Klägers oder anderer gewerblich tätiger Repetitoren in Zweifel gezogen hätte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Auffassung des Klägers, die Beklagte sei gehalten, ja sogar darauf beschränkt, die Frage der Erforderlichkeit von gewerblichen Repetitorien mit den Studenten im Rahmen von Lehrveranstaltungen zu diskutieren, vermag nicht zu überzeugen.

Diesem berechtigten Anliegen der Beklagten stehen keine überwiegenden Interessen des Klägers entgegen. Er ist durch die in Rede stehende Weisung der beklagten Universität an T. lediglich an einer Werbung mit Plakaten in den Gebäuden der Universität und des Studentenwerks gehindert. Ihm verbleiben jedoch vielfältige andere Möglichkeiten, Studenten gezielt anzusprechen, etwa durch außerhalb dieser Gebäude verteilte Flugblätter oder Plakate, durch Anzeigen in Zeitungen oder im Internet und dergleichen mehr, auch wenn nicht zu übersehen ist, dass dem Kläger durch die hier in Rede stehende Maßnahme der beklagten Universität eine besonders effektive Werbemöglichkeit entzogen wird.

2. Aus den gleichen Gründen kann in dem Verhalten der beklagten Universität auch kein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers i.S. von § 823 Abs. 1 BGB oder gar ein sittenwidriges Verhalten i.S. von § 826 BGB gesehen werden. […]

Vom Schwurgericht zur Schwurgerichtskammer

Bereits vor einer knappen Woche hatte ich einige Ausführungen zur sachlichen Zuständigkeit in Strafsachen gemacht und dabei auch die Schwurgerichtskammer erwähnt, die heute aber in der Sache letztlich nichts anderes als eine Strafkammer mit besonderem Zuständigkeitskatalog ist, die sich nur insofern von anderen Strafkammern unterscheidet, als die sonst mögliche Besetzungsreduktion (Wegfall eines Berufsrichters) nicht möglich ist. Mit einem "Schwurgericht" hat das eigentlich nichts mehr zu tun; die Bezeichnung ist daher historisch geprägt. Aber wie muß man sich denn das "Schwurgericht" historisch vorstellen?

Der Sache nach war das "Schwurgericht" ursprünglich ein Geschworenengericht. Geschworene sind wie Schöffen auch Laienrichter, also Männer und Frauen "aus dem Volk" ohne juristische Ausbildung. Sie unterscheiden sich aber von Schöffen dadurch, daß Geschworene unabhängig von den Berufsrichtern und für diese bindend über einen Teil der zur Entscheidung stehenden Sache - in der Regel die Schuldfrage - entscheiden, während das endgültige Urteil durch die Berufsrichter ohne Mitwirkung der Geschworenen ergeht und in der Regel dann das Strafmaß festsetzt. Schöffen hingegen entscheiden mit den Berufsrichtern gemeinsam über die gesamte Entscheidungsfrage, also über Schuld und Strafe (wobei im deutschen System jeweils eine Verurteilung ohne mindestens einen Schöffen nicht möglich ist).

Historisch gesehen stand am Anfang der Geschichte eine Phase von 45 Jahren (1879 bis 1924) mit einem "echten" Schwurgericht in diesem Sinne; darauf folgten 51 weitere Jahre mit einem Schwurgericht, das sich tatsächlich als großes Schöffengericht darstellte, und seit 1975 haben wir den heutigen Zustand, in dem das Schwurgericht nichts anderes als eine Spezialstrafkammer ist.

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Der Verteidiger und seine Vollmacht

Der Beschuldigte im Strafverfahren kann sich eines Verteidigers bedienen; dazu erteilt er einem Rechtsanwalt eine entsprechende Vollmacht. Dieser Verteidiger hat dann recht umfangreiche Rechte, unter anderem auch das der Akteneinsicht. Andererseits kann er Mitteilungen der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte für seinen Mandanten entgegen nehmen - was durchaus sinnvoll ist, denn die Kommunikation mit dem Beschuldigten soll nach Einschaltung eines Verteidigers ja über diesen laufen und nicht an ihm vorbei, damit der Verteidiger über den Stand des Verfahrens jederzeit informiert ist. Darüber hinaus regelt § 145a StPO, daß nach Einschaltung eines Verteidigers Zustellungen auch an diesen statt an den Beschuldigten (oder Angeklagten) erfolgen können; so soll die ordnungsgemäße Zustellung von Entscheidungen, aber auch Ladungen sichergestellt werden. Da mit dieser Möglichkeit der Zustellung an den Verteidiger Nachteile für den Beschuldigten verbunden sind - nämlich der Beginn von Fristen, ohne daß ihn persönlich das entsprechende Schriftstück erreicht hat -, darf kein Zweifel darüber bestehen, ob der betreffende Rechtsanwalt nun sein Verteidiger ist oder nicht; daher setzt § 145a StPO voraus, daß sich die Verteidigervollmacht bei der Akte befindet, damit im Zweifel kontrolliert werden kann, ob der Verteidiger nun bevollmächtigt war oder nicht. Das Vorhandensein der Vollmach genügt aber; diese muß keine Zustellungsvollmacht enthalten, denn der Verteidiger, dessen Vollmacht bei den Akten ist, gilt nach § 145a StPO gerade auch ohne entsprechende Regelung in der Vollmacht als zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigt. Sonst könnte der Beschuldigte ja in Versuchung kommen, eine Vollmacht ohne Zustellvollmacht zu erteilen und sich dann, wenn Not besteht, strategisch "unerreichbar" machen und damit den Fortgang des Strafverfahrens behindern oder vereiteln ("untertauchen").

Manche Verteidiger versuchen dennoch, im Sinne ihres Mandanten, aber sicherlich nicht im Sinne der Rechtspflege diese Regelung dadurch zu unterlaufen, daß sie zwar erklären, es bestehe ein Mandatsverhältnis, und darauf gestützt alle Verteidigerrechte wahrnehmen wollen, sich andererseits aber standhaft weigern, eine (schriftliche) Vollmacht vorzulegen, um so wirksame Zustellungen an sie zu vereiteln. Best of both worlds, sozusagen.

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Bäcker, Bäcker und kein Ende

Der Fall des "Bäckers von S." hat in den letzten Jahren einiges an öffentlichem Aufsehen gefunden.

Es geht dabei um einen brutalen Banküberfall im Oktober 2004 in einem kleinen Ort in der Nähe von Heilbronn, bei dem der Täter den allein anwesenden Bankangestellten unter Vorhalt einer Waffe in einen Nebenraum führte, ihm dort von hinten mit wuchtigen Schlägen den Schädel zertrümmerte, dann ein hereinkommendes Ehepaar überwältigte, den Mann über einen Stuhl warf und ihm mit aufgesetzter Waffe den Kopf schoß und auf dessen Ehefrau gleichfalls zwei Schüsse abgab. Die Ehefrau verstarb, die beiden anderen Opfer überlebten schwer verletzt. Schnell richtete der Verdacht sich auf den Bäcker des kleinen Ortes; die überlebenden Zeugen identifizierten ihn, teilweise spontan, man fand einen Geldbetrag in ungefährer Höhe der Tatbeute versteckt bei dem hochverschuldeten Verdächtigen bzw. dieser hatte unmittelbar nach der Tat entsprechende Einzahlungen vorgenommen, man fand eine mögliche Blutspur eines Opfers in seinem Fahrzeug, er hatte eine Waffe vom Typ der Tatwaffe früher in Besitz gehabt und dann angeblich verloren, er hatte Gummistiefel eines seltenen Typs, deren Spuren man im Blut der Opfer fand gekauft, und man fand - deutlich später - in seinem Jagdrevier eine Feuerstelle mit verbrannten Papieren, die ihm zuzuordnen waren, sowie Gummiresten genau in der Zusammensetzung der Stiefel. Überdies hatte er sich nach der Tat völlig unvermittelt mitten am Tage umgezogen und seine Kleidung waschen lassen. Trotz alledem sprach ihn das Landgericht Heilbronn am 21.04.2006 vom Vorwurf des Mordes und versuchten Mordes und der übrigen Delikte frei; es stützte sich dabei vor allem auf ein von ihm erstelltes Zeitraster, in dessen Kern eine Zeugenaussage stand, nach der der Angeklagte genau zur Tatzeit den Zeugen grüßte.

Wer die Unzuverlässigkeit von Zeugenaussagen, insbesondere im Hinblick auf minutengenaue (!) zeitliche Abläufe, kennt, wird sich nicht wundern, daß der Bundesgerichtshof das Urteil aufhob und den Fall an das Landgericht Stuttgart zurückverwies. Dieses verurteilte ihn sodann am 10.04.2008 zu lebenslanger Freiheitsstrafe und stellte die besondere Schwere der Schuld fest, was eine Entlassung nach Verbüßung von 15 Jahren Freiheitsstrafe ausschließt. Am 02.12.2008 - 1 StR 541/08 - verwarf der BGH die Revision der Verteidigung.

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Verweisung von allgemeiner Strafkammer ans Schwurgericht

Die sachliche Zuständigkeit in Strafsachen ist für Neueinsteiger ins Strafprozeßrecht nicht ganz leicht zu durchschauen, denn sie ergibt sich zwar aus dem Gesetz (konkret: dem Gerichtsverfassungsgesetz), aber nur durch Verweisungen und das Zusammenwirken verschiedener Normen. So kann man § 74 Abs. 1 GVG entnehmen, daß die Landgerichte erstinstanzlich immer dann zuständig sind, wenn weder Amtsgerichte noch Oberlandesgerichte zuständig sind - was nur begrenzt weiterhilft. Aus § 24 GVG erfährt man dann die Zuständigkeit der Amtsgerichte (und im weiteren noch die dortige Aufteilung zwischen Strafrichter und Schöffengericht, die auch sehr genaues Lesen der Norm erfordert, uns hier aber nicht weiter interessieren soll) und aus § 120 GVG die (sehr seltene) erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, die insbesondere in gravierenden Staatsschutzsachen, namentlich in Fällen des Terrorismus, Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben.

Demnach sind - wenn wir die nicht besonders praxisrelevante Zuständigkeit des Oberlandesgerichts in der ersten Instanz einmal genauso ausklammern wie die Frage des Jugendrechts - bei den Landgerichten in Strafsachen die Großen Strafkammern zur Entscheidung berufen, wenn

  • mit einer Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren oder der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung zu rechnen ist,
  • der Fall besonders umfangreich oder besonders bedeutend ist oder eine besondere Schutzbedürftigkeit von Opferzeugen zu berücksichtigen ist oder
  • die Staatsschutzstrafkammer oder das Schwurgericht zuständig ist.

Die Großen Strafkammern unterteilen sich dann - wiederum unter Außerachtlassung der Jugendkammern - in allgemeine Strafkammern, Staatsschutzstrafkammern (in der Diktion des Gesetzes nicht so benannt, sondern nur als "Strafkammer nach § 74a GVG" referenziert), Wirtschaftsstrafkammern (§ 74c GVG) und Schwurgerichtskammern (§ 74 Abs. 2 GVG), die auch in dieser "Rangfolge" stehen, d.h. die Zuständigkeit des Schwurgerichts geht der der Wirtschaftsstrafkammer vor, diese wiederum der der Staatsschutzstrafkammer, und die allgemeinen Strafkammern sind nur für Fälle zuständig, für die keine dieser besonderen Strafkammern zusätzlich ist.

Die Zuständigkeit des Schwurgerichts - früher einmal tatsächlich eine Art Geschworenengericht, wie wir es aus amerikanischen Fernsehserien kennen, heute nur noch eine Große Strafkammer, die sich nur durch ihre Zuständigkeit und die verpflichtende "große" Fünferbesetzung (drei Berufsrichter, zwei Schöffen) von allgemeinen Strafkammern unterscheidet, die im Regelfall in der "kleinen" Besetzung (§ 76 Abs. 2 GVG) mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen verhandeln - umfaßt versuchte und vollendete Tötungsdelikte und solche mit Todesfolge, allerdings nicht abstrakt definiert, sondern aus einem umfangreichen Katalog (was dazu führt, daß Straftaten mit Todesfolge aus dem Nebenstrafrecht wie zum Beispiel die Abgabe von Betäubungsmitteln mit Todesfolge nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG nicht erfaßt werden).

Nicht immer werden Anklagen an das "richtige" Gericht erhoben; abgesehen von Irrtümern und Versehen ist die Ursache dafür entweder eine abweichende rechtliche Würdigung der Staatsanwaltschaft auf der einen und des Gerichts auf der anderen Seite oder neue Erkenntnisse zum tatsächlichen Tathergang. So kann bspw. das Einstechen auf einen anderen Menschen mit einem großen Messer neben einer gefährlichen Körperverletzung (zuständig Strafrichter oder Schöffengericht, jedenfalls das Amtsgericht) auch einen versuchten Totschlag darstellen (zuständig eine Große Strafkammer des Landgerichts als Schwurgericht); ob ein hinreichender Tatverdacht eines versuchten Tötungsdelikts besteht, hängt zum einen davon ab, was tatsächlich geschehen ist (und was man davon weiß), zum anderen aber auch davon, wie man dieses tatsächliche Geschehen rechtlich bewertet, ob man nämlich einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz bejaht. Es kann durchaus sein, daß sich die Einschätzung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts insofern unterscheiden. In solchen Fällen kann das Gericht die Sache entweder noch vor Beginn der Hauptverhandlung (bindend) vor einem Gericht niedrigerer Ordnung eröffnen oder einem Gericht höherer Ordnung zur Übernahme vorlegen (§ 209 StPO) oder, wenn die Hauptverhandlung schon begonnen hat, (in jedem Fall bindend) an das zuständige Gericht verweisen (§ 270 StPO).

Jedenfalls bei einer Entscheidung vor Beginn der Hauptverhandlung gilt auch hier die bereits skizzierte Rangfolge vom Strafrichter über das Schöffengericht und über die allgemeine Strafkammer, die Staatsschutzstrafkammer, die Wirtschaftskammer bis hin zum Schwurgericht (§ 209a StPO). Der BGH (Urteil vom 11.12.2008 - 4 StR 376/08 -) hat sich nunmehr mit der Frage beschäftigt, wie dies nach Beginn der Hauptverhandlung aussieht, wenn eine allgemeine Strafkammer die Zuständigkeit des Schwurgerichts für eröffnet hält.

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2. Staatsexamen Herbst 2009

Nachdem mir heute morgen wieder bewußt wurde, daß ab heute bis zum 16.06.2009 in Baden-Württemberg die Klausuren des zweiten Staatsexamens, Termin Herbst 2009, geschrieben werden, wünsche ich allen angehenden Volljurist(inn)en für die Aufsichtsarbeiten viel Glück und Erfolg!

(Umso leichteren Herzens, als ich diesmal nicht Aufsicht führe. Ha. ;-))

Strafbarkeitslücken bei der Domainbestellung?

Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 21.01.2009 - 2 Ss 155/08 -) hatte sich als Revisionsgericht mit der Frage zu befassen, ob die Bestellung von Domains bei einem Provider im Rahmen eines laufenden bzw. bereits gekündigten Vertragsverhältnisses in der Absicht, diese nicht zu bezahlen (und bei völlig fehlender Zahlungsfähigkeit) strafbar ist oder nicht.

Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass der Angeklagte seit 2002 bei einem Provider mehrfach Webhosting-Verträge abgeschlossen hatte, bei denen der Angeklagte auch Domains bestellte, die der Provider dann bei der Registrierungsstelle auf diesen registrieren ließ und dieser - oder seinem Vorleister gegenüber - bezahlte. Er stellte diese Leistungen dann dem Angeklagten in Rechnung. Bei der ersten Anmeldung hatte der Angeklagte seine Bankverbindung anzugeben und eine Einzugsermächtigung zu erteilen. Es wurde für ihn dann ein Account angelegt, über den solche Bestellungen vollautomatisiert veranlasst werden konnten; eine weitere (Bonitäts-)Prüfung erfolgte nicht, wie der Angeklagte wußte. Im weiteren Verlauf der Geschäftsbeziehung kam es zu Unstimmigkeiten; der Angeklagte wiederrief seine Einzugsermächtigungen, der Provider kündigte im Juli/August 2003 alle bestehenden Verträge. Dennoch loggte sich der Angeklagte vom 08.12.2003 bis 21.02.2004 in seinen dortigen Account ein und bestellte in 11 einzelnen Handlungen eine Vielzahl von Domains, für die Kosten in Höhe von 83.374,- € anfielen, die er weder bezahlen konnte noch wollte.

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