Strafbarkeitslücken bei der Domainbestellung?
Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 21.01.2009 - 2 Ss 155/08 -) hatte sich als Revisionsgericht mit der Frage zu befassen, ob die Bestellung von Domains bei einem Provider im Rahmen eines laufenden bzw. bereits gekündigten Vertragsverhältnisses in der Absicht, diese nicht zu bezahlen (und bei völlig fehlender Zahlungsfähigkeit) strafbar ist oder nicht.
Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass der Angeklagte seit 2002 bei einem Provider mehrfach Webhosting-Verträge abgeschlossen hatte, bei denen der Angeklagte auch Domains bestellte, die der Provider dann bei der Registrierungsstelle auf diesen registrieren ließ und dieser - oder seinem Vorleister gegenüber - bezahlte. Er stellte diese Leistungen dann dem Angeklagten in Rechnung. Bei der ersten Anmeldung hatte der Angeklagte seine Bankverbindung anzugeben und eine Einzugsermächtigung zu erteilen. Es wurde für ihn dann ein Account angelegt, über den solche Bestellungen vollautomatisiert veranlasst werden konnten; eine weitere (Bonitäts-)Prüfung erfolgte nicht, wie der Angeklagte wußte. Im weiteren Verlauf der Geschäftsbeziehung kam es zu Unstimmigkeiten; der Angeklagte wiederrief seine Einzugsermächtigungen, der Provider kündigte im Juli/August 2003 alle bestehenden Verträge. Dennoch loggte sich der Angeklagte vom 08.12.2003 bis 21.02.2004 in seinen dortigen Account ein und bestellte in 11 einzelnen Handlungen eine Vielzahl von Domains, für die Kosten in Höhe von 83.374,- € anfielen, die er weder bezahlen konnte noch wollte.
Nach Auffassung des OLG ist eine Strafbarkeit nicht gegeben.
Betrug scheide aus, weil kein Mensch getäuscht werde; die Vorgänge seien vollautomatisiert. Auch der vom Amtsgericht noch angenommene versuchte Betrug scheide aus, weil der Angeklagte die Vorgehensweise des Providers gekannt habe.
Das Landgericht habe überdies richtig auch einen Computerbetrug abgelehnt. Das OLG führt dazu aus:
Zurecht hat die Strafkammer im Verhalten des Angeklagten keinen Computerbetrug nach § 263a StGB gesehen. Insbesondere scheidet die - hier allein zu erwägende - unbefugte Datenverwendung aus. Denn die Verwendung von Zugangsdaten kann in betrugsspezifischer Auslegung nur dann als "unbefugt" angesehen werden, wenn das Vorgehen gegenüber einer fiktiven natürlichen Person, die sich mit den Fragen befasst, die der Computer prüft, Täuschungscharakter hätte. Da vorliegend im elektronischen Ablauf der Bestellung weder bei der Zuteilung des Passworts, mit der der Kunde die Berechtigung zum Zugang zu der angebotenen Datenverarbeitung erhielt, noch bei der einzelnen Bestellung im Rahmen der dem Angeklagten eröffneten Zugangsmöglichkeit die Bonität des Kunden geprüft wurde, liegt eine unbefugte Verwendung von Daten nicht vor […].
Schließlich liege auch das vom Landgericht angenommene Erschleichen von Leistungen nicht vor. Der Senat macht dazu folgende Ausführungen:
Die Vorschrift des § 265a StGB erfasst das Erschleichen der Leistung eines Automaten in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten. Ob der Begriff des Automaten nur mechanisch funktionierende oder auch elektronisch gesteuerte Apparate umfasst […], kann vorliegend dahinstehen, da die dem Angeklagten durch die Fa. I. AG eröffnete Möglichkeit, sich über ein Menu auf ihrem Server sog. Domains reservieren zu lassen, schon aus anderen Gründen das Tatbestandsmerkmal des Automaten nicht erfüllt. Denn nach verbreiteter Definition handelt es sich bei einem Automaten um ein technisches Gerät, dessen mechanische oder ggf. elektronische Steuerung durch Barentrichtung des Entgelts oder durch die gleichwertige Eingabe einer Codierung in Gang gesetzt wird und das dann selbständig Leistung erbringt oder den Zugang zu ihrer unmittelbaren Inanspruchnahme eröffnet […]. Danach liegt hier schon deshalb kein Automat vor, weil die Steuerung nicht durch eine vorab zu erbringende Barentrichtung des Entgelts oder eine dieser gleichgestellte Codierung in Gang gesetzt wurde. Denn das Passwort, das dem Angeklagten den Zugang zu der Reservierungsmöglichkeit von "Domains" ermöglichte, war nicht an eine Entgeltzahlung geknüpft. Vielmehr sollte die Leistung, nämlich die jeweilige Reservierung, später abgerechnet werden. In einem solchen Fall von einem "Automaten" zu sprechen, würde den Wortlaut des Gesetzes aber überdehnen.
Darüberhinaus stellt das Verhalten des Angeklagten auch kein Erschleichen einer Leistung im Sinne des § 265a StGB dar. Entgegen der Auffassung der Strafkammer genügt es insoweit nicht, dass sich der Angeklagte mit "dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgeben" hat. Selbst wenn eine solche Vorgehensweise bei der Tatvariante der Beförderungserschleichung als ausreichend anzusehen sein sollte, so erfordert das Tatbestandsmerkmal des "Erschleichens" in den anderen in § 265a StGB geregelten Fällen nach nahezu einhelliger Meinung eine Umgehung von Sicherheitseinrichtungen im Sinne einer Einflussnahme auf den technischen Ablauf […]. Eine solche Manipulation, die den Automatismus des Leistungsapparaten, der die Entgeltlichkeit sichern soll, überlistet […], war vorliegend gerade nicht gegeben. Der Angeklagte hat vielmehr auf dem vorgesehenen Wege durch Eingabe seines - gebührenfrei erworbenen - Passwortes seine Reservierungen in Auftrag gegeben.
Zweifeln kann man insofern nur an der Wertung des OLG hinsichtlich des Computerbetrugs, der ja das Paralleldelikt zum Betrug darstellen soll, mit dem Unterschied, daß nicht ein Mensch, sondern eine Maschine "getäuscht" wird. Bei der Bestellung von Domains einem Menschen gegenüber würde konkludent Zahlungsfähigkeit und -willigkeit behauptet; die Frage dürfte sein, ob das gegenüber einer Maschine gleichfalls so zu sehen ist. Das OLG rekurriert auf die Frage der Bonitätsprüfung und orientiert sich dabei an BGH NJW 2002, 905; der dort entschiedene Fall betraf allerdings die Frage einer Abhebung am Geldautomaten und damit die Inanspruchnahme eines Kredits:
Die Auslegung des Merkmals der "unbefugten" Datenverwendung ist allerdings nicht unstreitig […]. Nach der gesetzgeberischen Intention ist der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsalternative durch die Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263 a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, daß der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz von EDV-Anlagen fehlen. Eine Ausdehnung der Strafbarkeit darüberhinaus war nicht beabsichtigt […]. Dem entspricht eine betrugsnahe oder betrugsspezifische Auslegung, wie sie auch von der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung vertreten wird […]. Danach ist nur eine solche Verwendung von Daten "unbefugt", die täuschungsäquivalent ist. Ob allerdings eine Betrugsäquivalenz für die Abhebung von Geld am Geldautomaten mit der Abhebung am Schalter gegeben ist, ist ebenfalls streitig […]. Bejaht wird eine Betrugsäquivalenz insbesondere mit der Begründung, daß in beiden Fällen von einer schlüssigen Miterklärung auszugehen sei, daß das Konto gedeckt oder ein gewährter Kredit zurückgezahlt werde. Dabei wird aber zur Begründung der Täuschungsqualität der Abhebung am Geldautomaten auf einen fiktiven Bankangestellten abgestellt, der die Interessen der Bank umfassend wahrzunehmen hat. Zu Recht wird demgegenüber darauf hingewiesen, daß eine Vergleichbarkeit nur mit einem Schalterangestellten angenommen werden kann, der sich mit den Fragen befaßt, die auch der Computer prüft […]. Der Computer prüft aber nicht die Bonität des berechtigten Karteninhabers, sondern lediglich, ob sich dieser im Rahmen des Verfügungsrahmens bewegt.
Ich halte es daher für nicht unzweifelhaft, ob man dieses Ergebnis des BGH - im Hinblick auf die Frage einer Ausnutzung des Dispositionskredits - ohne weiteres auf die Frage einer Bestellung von Dienstleistungen (und Waren) übertragen kann. Denn natürlich würde auch der Mitarbeiter des Providers nicht die Bonität prüfen; er würde aber die Bestellung nur vornehmen, weil er von der konkludent erklärten Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Kunden ausgeht.
Kommentare
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Wiszszaf am :
Tja, bevor ich Deinen Eintrag zuende gelesen hatte, kam mir genau dieser Gedanke!
Gerade weil keine Bonitätsprüfung vorgesehen war, liegt es eigentlich nahe der Bestellung die konkludente Aussage "ich bin willens und in der Lage zu zahlen" beizumessen.
Würde es hingegen eine Bontätsprüfung geben, so wäre im Gegensatz selbst in der ausdrücklichen Behauptung solvent zu sein kein Betrugsmerkmal zu sehen, weil es ja gerade auf diese Behauptung nicht ankommt, sondern auf die Bonitätsprüfung.