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Strafrechtliche Bewertung von Todes- und Leibesstrafen

Am 22. Mai schrieb ich, animiert durch einen Beitrag in der FAZ und eine darauf basierende Frage im Usenet, über die Frage, inwiefern die Vollstreckung ausländischer Urteile wohl nach deutschem Recht als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund geeignet sei, wenn bspw. ein Todesurteil in den USA vollstreckt wird oder in einem islamisch oder stammesrechtlich geprägten Staat Körperteile amputiert werden (oder, wie im in der FAZ geschilderten Fall, ein Täter geblendet werden soll). Nachdem es dazu (fast erwartungsgemäß ;-)) keine Antworten gab, beantworte ich meine damalige Frage selbst.

Nochmals die damalige Fragestellung:

Wenn im Ausland - man denke an die USA - in einem rechtsförmlichen Verfahren ein Todesurteil gesprochen wird, das dann ein öffentlicher Bediensteter vollstreckt, wie ist dieser Sachverhalt nach deutschem Strafrecht zu beurteilen? Nehmen wir an, der zum Tode verurteilte sei deutscher Staatsbürger, um einen Anknüpfungspunkt (§ 7 Abs. 1 StGB) zu schaffen. Genügt es dann, daß die Hinrichtung in den USA nicht mit Strafe bedroht ist, oder kommt man bei der Prüfung weiter? (Und wie sieht es aus, wenn das entsprechende Verfahren nicht rechtsstaatlichen war - man denke an Todesurteile in totalitären Systemen?)

Wie sieht das bei anderen ausländischen Entscheidungen aus, die bspw. im Rahmen des islamisch geprägten Rechts der Scharia (Hadd-Strafen) verhängt werden, wie die Amputation eines Gliedes als Strafe für Diebstahl? Ändert sich die Beurteilung, wenn die Tat in Deutschland vollzogen, also das Urteil hier vollstreckt wird?

Wie ist es zu beurteilen, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht durch einen Amtsträger vollstreckt wird, sondern durch eine Privatperson, bspw. durch den Geschädigten?

Als ich mich damals mit der Frage beschäftigte, habe ich wohl schlicht um die Ecke gedacht. Die Lösung liegt nicht bei den Rechtfertigungsgründen, sondern im Internationalen Strafrecht, nämlich bei der vorgelagerten Frage, ob überhaupt deutsches Strafrecht Anwendung findet. Danach kann man die oben wiederholten Fragen folgendermaßen beantworten:

  1. Wenn im Ausland - nehmen wir die USA - die Todesstrafe an einem Ausländer vollzogen wird, findet deutsches Strafrecht im Regelfall schlicht keine Anwendung (von Ausnahmefällen, die hier ausgeklammert sein sollen, einmal abgesehen). Die Tat kann daher in Deutschland nicht bestraft werden.

  2. Wenn im Ausland - den USA - die Todesstrafe an einem Deutschen vollzogen wird oder der Henker deutscher Staatsbürger ist, gilt für die Anwendung deutschen Strafrechts § 7 StGB, der voraussetzt, daß die Tat auch am Tatort - also in den USA - mit Strafe bedroht ist (oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt, aber das ist regelhaft nicht der Fall). Strafbar wäre ein Tötungsdelikt in den USA an einem oder durch einen Deutschen nach deutschem Recht also nur, wenn diese konkrete Tat in den USA ebenfalls mit Strafe bedroht ist, sich also in ihrer Gesamtheit unter einen US-amerikanischen Straftatbestand subsummieren läßt. Das dürfte zwar grundsätzlich der Fall sein; weitere Voraussetzung ist aber, daß die Tat auch nach amerikanischem Recht rechtswidrig wäre, also kein Rechtfertigungsgrund eingreift; außer Betracht bleiben nur prozessuale Strafverfolgungshindernisse (bspw. eine Amnestie). Wenn die Tat also nach amerikanischem Recht rechtmäßig ist - was für den Vollzug der Todesstrafe nach einem rechtsförmlichen Verfahren unterstellt werden kann - achtet das deutsche Strafrecht diese Wertung des amerikanischen Rechts, so daß der Henker - auch ein deutscher Staatsbürger, auch beim Vollzug der Todesstrafe an einem deutschen Staatsbürger - auch in Deutschland nicht verfolgt werden kann. Eine Ausnahme gilt dafür nur, wenn dieser Rechtfertigungsgrund universal anerkannten Rechtsgrundsätzen widersprechen würde, was für den Vollzug der Todesstrafe nicht der Fall ist.

  3. Das gleiche gilt auch dann, wenn nicht die Todesstrafe, sondern "nur" eine Amputation eines Gliedes o.ä. vollzogen wird.

  4. Wenn die Todesstrafe oder die Amputation allerdings in Deutschland vollzogen werden soll, dann unterliegt diese Handlung nach dem Territorialitätsgrundsatz (§ 3 StGB) deutschem Recht, und da das deutsche Recht weder die Todesstrafe noch Leibesstrafen kennt, wäre die Handlung nach deutschem Recht daher rechtswidrig und strafbar, auch dann, wenn ihr ein ausländisches rechtskräftiges Urteil zugrunde liegt. Diese Wertung des deutschen Rechts muß also durch den ausländischen Gesetzgeber akzeptiert werden.

  5. In diesen Fällen ist es jeweils gleichgültig, ob die Strafe durch einen Amtsträger oder durch eine Privatperson vollzogen wird, so lange dies nur nach dem Recht des Tatortes in der durchgeführten Weise legal ist.

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