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Halbgötter in Weiß?

"Salus aegroti suprema lex" - das Wohl des Kranken ist das oberste Gesetz, so sagte man früher. Heute gilt allerdings der Satz "voluntas aegroti suprema lex" - der Wille des Kranken ist das oberste Gesetz: nicht das medizinisch Vernünftige ist maßgebend, sondern das, was der aufgeklärte, entscheidungsfähige Patient für sich wünscht, mag es auch objektiv unvernünftig sein.

Dieser Gegensatz - und auch die Änderung des ärztlichen Tuns über die Zeiten - wird schlaglichtartig beleuchtet in der Entscheidung des OLG Koblenz vom 13.07.2006 - 5 U 290/06 -.

Die im Jahre 1953 geborene Klägerin entband 1975, als die Uhren in der Medizin noch anders gingen, als 22jährige ihr zweites Kind per Kaiserschnitt. Der operierende Gynäkologe stellte bei der Operation Verwachsungen am Bauchfell fest, die den Wiederverschluss schwierig gestalteten, so daß zukünftige ähnliche Eingriffe, insbesondere ein weiterer Kaiserschnitt "deshalb nicht zu empfehlen" seien, so wörtlich der Operationsbericht aus dem Jahre 1975. Deshalb nahm der Operateur direkt im Rahmen der Schnittentbindung des Kindes eine Sterilisation der Frau durch Durchtrennung der Eileiter vor. Eine solche Maßnahme war zuvor mit der Schwangeren nicht besprochen worden. Es konnte auch nicht mehr positiv festgestellt werden, ob der Operateur es für nötig befand, sie nach der Operation von seiner Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Die Patientin gab jedenfalls an, jahrelang weiter Verhütungsmittel genommen zu haben, bis sie 1994 mit ihrem neuen Ehepartner einen erneuten Kinderwunsch entwickelte. Erst im Jahre 2001 habe sie von der Sterilisation erfahren.

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Unzuverlässigkeit des Heilpraktikers

Nachdem bereits die letzte hier vorgestellte Gerichtsentscheidung sich als eher wenig überraschend darstellte, gilt das auch für die heutige Entscheidung.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 02.10.2008 - 9 S 1782/08 - die Entscheidung der Vorinstanz, des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, bestätigt, das es abgelehnt hatte, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe wiederherzustellen, mit dem unter Anordnung des Sofortvollzugs die Erlaubnis eines Heilpraktikers zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde widerrufen wurde. Das Regierungspräsidium hatte dem Heilpraktiker - untechnisch gesprochen - die Berufserlaubnis entzogen und zugleich angeordnet, daß dessen Widerspruch nicht wie im Verwaltungsrecht üblich aufschiebende Wirkung hat - der Heilpraktiker also bis zur abschließenden gerichtlichen Entscheidung erst einmal weiter praktizieren darf -, sondern die Entscheidung des Regierungspräsidiums sofort zu vollziehen ist - so daß der Heilpraktiker bis zum Abschluß eines eventuellen Gerichtsverfahrens eben nicht praktizieren darf -. Dagegen hatte sich der Heilpraktiker im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gewandt und in beiden Instanzen verloren.

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Keine Einlegung von Rechtsmitteln per E-Mail

Das Landgericht Stuttgart - 16. Strafkammer - hat Berichten zufolge (bereits Mitte vergangenen Jahres) als obiter dictum entschieden, daß zumindest erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit eines per E-Mail eingelegten Rechtsmittels - hier: eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl - bestehen.

Das ist letztlich wenig überraschend, bedarf es doch auch anderswo - so z.B. im Zivilrecht bei prozeßbestimmenden Schriftsätzen - nicht nur der Schriftform, sondern auch der Unterschrift, um Zweifel darüber auszuschließen, ob der Schriftsatz nun als solcher gelten, das Rechtsmittel eingelegt sein soll oder nicht (und zu belegen, daß der Berechtigte, hier also der Angeklagte, gehandelt hat). Interessanter fände ich daher den Volltext der Entscheidung. Weiß jemand, ob und wo der veröffentlicht ist (außer in CR 2009)? juris hat lustigerweise die Entscheidung, aber nur ohne Text …

Das "Erschleichen" bei der Beförderungserschleichung

§ 265a ("Erschleichen von Leistungen") bedroht unter anderem das "Schwarzfahren" ("Beförderungserschleichung") mit Strafe; der entsprechende Teil der Norm lautet wie folgt:

Wer die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Umstritten ist in diesem Zusammenhang, wie der Begriff des "Erschleichens" zu verstehen ist: bedarf es einer Täuschungskomponente oder genügt es, das Verkehrsmittel einfach wie jeder andere Fahrgast auch zu betreten und so zu tun, als sei alles in bester Ordnung? Ist also nur derjenige nach dieser Norm zu bestrafen, der beim Betreten eines Busses dem Fahrer mit einem Papierfetzen vor der Nase herumwedelt oder in der Stadtbahn so tut, als entwerte er einen Fahrschein, oder auch der, der heimlich, still und leise die Stadtbahn betritt, sich hinsetzt und später wieder aussteigt, ohne eben einen gültigen Fahrschein zu besitzen?

(Nur ergänzend sei angefügt, daß das strafbare Erschleichen von Leistungen als mögliche Straftat nichts mit den möglichen zivilrechtlichen Forderungen eines Verkehrsunternehmens auf Entrichtung eines erhöhten Beförderungsentgelts, zumeist in Höhe von 40,- €, zu tun hat. Ein solches ist in der Regel u.a. auch dann zu entrichten, wenn man bloß vergessen hat, einen Fahrschein zu erwerben; strafbar im Sinne von § 265a StGB ist aber natürlich nur vorsätzliches Handeln.)

Die Rechtsprechung ging bisher im wesentlichen davon aus, daß es genügt, ein Verkehrsmittel zu betreten und sich dabei mit dem Anschein einer ordnungsgemäßen Benutzung zu umgeben, obschon man bewußt das Fahrgeld nicht entrichtet hat bzw. über keinen gültigen Fahrausweis verfügt; das Schrifttum neigte zunehmend mehrheitlich der Ansicht zu, daß dem "Erschleichen" ein eigenständiger Bedeutungswert zuzumessen sei und daher strafbar nur der handele, der sich in täuschungsähnlicher oder manipulativer Weise eine kostenlose Fahrt "ertrickse".

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Unkenntnis oder mangelnde Sorgfalt bei der Urteilsabsetzung?

Unter den Az. 1 StR 158/08 und 1 StR 554/08 hat der BGH in der Sitzung vom 14.01.2009 über die Revision im Misshandlungsfall in der Bundeswehr-Grundausbildung in der  Freiherr-vom-Stein-Kaserne in Coesfeld entschieden; den Sachverhalt setze ich aufgrund der Presseberichterstattungs als bekannt voraus. Jenseits des juristischen Inhalts fallen dem Leser aber in diesen Entscheidungen direkt mehrere Fehler bzw. Ungenauigkeiten in dem vom Landgericht Münster festgestellten Tatbestand auf, den der BGH rekapituliert, und zwar Ungenauigkeiten solcher Art, daß bereits im Grundwehrdienst erworbene Kenntnisse oder gewisse Basiskenntnisse über den Aufbau der Bundeswehr zu deren Erkennung genügen; umso überraschender, daß einer Großen Strafkammer an mehr als einer Stelle ein solcher Lapsus unterläuft, auch wenn er für die rechtliche Beurteilung des Falles irrelevant ist. Man darf wohl davon ausgehen, daß der Sachverhalt in den Ermittlungsakten zutreffend dargestellt war.

So rekapituliert der BGH in beiden Urteilen unter Rz. 7 die Feststellung des Landgerichts, es habe ein Schreiben des "Heeresführerkommando der Bundeswehr" zu einer bestimmten Frage gegeben. Die Zeit eines "Führers" ist in Deutschland allerdings schon länger um, weshalb diese oberste Kommandobehörde des Heeres auch "Heeresführungskommando" (HFüKdo) heißt. Unter Rz. 13 wird dem erstaunten Leser dann mitgeteilt, die Ausbilder, die für die Rekruten einen Hinterhalt vorbereiteten, hätten "Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten" bei sich geführt. Ein Manöverpatronengerät (MPG) ist allerdings nichts anderes als ein Bauteil, das man - anstelle des Mündungsfeuerdämpfers - auf die Mündung einer Schusswaffe aufsetzen kann, um sicherzustellen, daß auch bei der Verwendung von Platzpatronen der Gasdruck ausreicht, um den Verschluss zu entriegeln, so daß die nächste Patrone in die Kammer befördert wird. Ein MPG kann man demnach nicht laden; dementsprechend führten die Ausbilder also mit Platzpatronen geladenen Gewehre, auf die Manöverpatronengeräte aufgesetzt waren, mit sich.

Sicherlich sind diese Kleinigkeiten für die tatsächliche und rechtliche Erfassung des Sachverhalts nicht relevant; man fragt sich aber unwillkürlich, ob dann nicht auch an anderer Stelle Mißverständnisse oder Unkenntnis der zugrundeliegenden Sachverhalte vorgelegen haben, die die tatsächliche und rechtliche Würdigung möglicherweise doch beeinträchtigen - gerade dann und gerade deshalb, weil es in diesem Fall auch auf das "Wesen des militärischen Dienstes" (a.a.O., Rz. 40) ankommt.

Unabhängig davon sind die Revisionsentscheidungen des BGH durchaus instruktiv zu der doch recht speziellen Thematik des Wehrstrafrechts, die in der Bundesrepublik in der Praxis eher ein Schattendasein führen dürfte.

Strafbarkeit des Entwendens eines RTW-Zundschlüssels

Geschichten, die das Leben schreibt …

Das Amtsgericht Emmendingen - Emmendingen liegt in der Nähe zu Freibug im südlichen Baden und ist Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises - hatte bereits vor rund einem Jahr über einen direkt aus dem Leben gegriffenen Fall zu entscheiden, der sich Ende 2007 zutrug. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen die Besatzung eines RTW sowie eines NEF und ein … hm … vermutlich Lebenskünstler, der der sog. Nichtseßhaftenszene offenbar zumindest nahestand, sich in reichlich alkoholisiertem Zustand an der Notfallversorgung einer Patientin beteiligen zu müssen glaubte und über die Zurückweisung so verärgert war, daß er der RTW-Besatzung einen Denkzettel verpassen zu müssen glaubte.

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Examensklausuren des 2. Staatsexamens Baden-Württemberg Herbst 2008

Die Kampagne 2008/II des 2. juristischen Staatsexamens in Baden-Württemberg - zu der ich schon einige Bemerkungen an anderer Stelle gemacht hatte - ist gerade zu Ende gegangen, und beim Sartorienfelder finden sich nunmehr in loser Folge Gedächtnisprotokolle der Aufgabenstellungen. Zumindest für die erste Klausur kann ich bestätigen, daß das Protokoll den Inhalt der Akten zusammenfassend korrekt wiedergibt. :-)

Möglicherweise ist das für den einen oder anderen Leser auch von Interesse, so daß ich dies hier kundtun möchte.

Strafrechtlicher Schutz elektronischer Nachrichten

Post- und Fernmeldegeheimnis genießen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Dies drückt sich nicht nur in strafprozessualen und präventiven Rechtsnormen aus, die den Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses dem Staat gegenüber dienen, sondern gilt auch gegenüber Privaten. So stellt bspw. § 88 Abs. 3 S. 1 TKG klar, daß auch Fernmeldedienstleister nicht einfach Einblick in die Kommunikation ihrer Kunden nehmen dürfen, also bspw. deren E-Mail-Verkehr mitlesen.

Für den Bereich des Post- und des Telefoniewesens werden diese Verbote durch strafrechtliche Schutzvorschriften flankiert: §§ 202 Abs. 1, 206 Abs. 2 Nr. 1 StGB sanktionieren den Zugriff auf verschlossene Postsendungen durch Mitarbeiter des Postunternehmens (und Dritte), § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt das Abhören von Telefongesprächen generell unter Strafe. Aber wie sieht es mit E-Mails und anderen elektronischen Kommunikationsformen aus? Bei näherer Betrachtung tun sich überraschende Strafbarkeitslücken auf.

§ 202 StGB, der das Briefgeheimnis schützt, betrifft nur verschlossene (!) Schriftstücke (!), also körperliche Gegenstände, und ist damit für den Schutz von E-Mails u.ä. nicht fruchtbar zu machen.

§ 202a StGB, der das Ausspähen von Daten durch Überwindung einer Sicherung gegen unbefugten Zugriff betrifft, dürfte nicht einschlägig sein, weil Systemadministratoren u.a. Mitarbeiter eines Mailproviders regelmäßig Zugang zu den entsprechenden Systemen und Daten haben, also keine besondere Sicherung überwinden.

Und in der eigentlichen Spezialvorschrift zum Post- und Fernmeldegeheimnis, nämlich § 206 StGB, ist zum einen schon generell sehr umstritten, ob "Sendungen" im Sinne von Abs. 2 der Vorschrift nur körperliche Gegenstände sein können, was die herrschende Meinung in der Literatur annimmt, das OLG Karlsruhe jedoch in einem (der in der Regel nur im Promillebereich erfolgreichen) Klageerzwingungsverfahren für die Variante des Unterdrückens von Sendungen (§ 206 Abs. 1 Nr. 2 StGB) bestreitet (Beschluß vom 10.01.2005, 1 Ws 152/04). Für unsere Fragestellung kommt es darauf jedoch gar nicht an, weil die Tatbestandsvariante des § 206 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausdrücklich "eine Sendung, die einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraut und verschlossen ist", verlangt; das kann - unstreitig - nur körperliche Gegenstände betreffen. Auch hier ist also der unbefugte Zugriff auf E-Mails u.ä. durch Mitarbeiter des Anbieters nicht strafbewehrt.

Im TKG finden sich gleichfalls keine auf § 88 Abs. 2 TKG bezogenen Strafnormen.

Womit ich die Frage dann mal an die Leserschaft weitergeben möchte - übersehe ich eine Strafnorm, oder ist der unbefugte Zugriff auf textuelle elektronische Kommunikation schlicht strafrechtlich bisher nicht sanktioniert?

Hakenkreuze: Karlsruhe locuta

Der BGH hat heute entschieden, dass die Verwendung und Verbreitung durchgestrichener Hakenkreuze und vergleichbarer "Anti-Nazi-Symbole", bei denen sich bereits aus dem Symbol selbst die Ablehnung der nationalsozialistischen Ideologie ergibt, nicht gemäß § 86a StGB strafbar ist.

Tragende Erwägung war offenbar - nach der mündlichen Urteilsbegründung - die Fortführung und teilweise Modifizierung der von mir bereits ausführlich wiedergegebenen bisherigen Rechtsprechung, nach der Kennzeichenverwendungen ausgenommen sind, wenn sich aus dem Umständen ergibt, daß der Schutzzweck der Norm nicht tangiert wird. Der BGH hat nunmehr ausgesprochen, daß es auch genügt, wenn bereits der Inhalt der Darstellung alleine in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der nationalsozialistischen Ideologie und das Ziel von deren Bekämpfung zum Ausdruck bringt. Er hat weiter ausgesprochen, daß dies auch für den massenhaften Vertrieb - und dann wohl auch für die massenhafte Verwendung - gilt. Es sei nicht damit zu rechnen, daß Anhänger des Nationalsozialismus diese oder vergleichbare Symbole für sich verwenden würden.

Diese Entscheidung ist sicherlich gut vertretbar, mit der bisherigen Rechtsprechung vereinbar, und sorgt vor allem für eine Klärung der bisher umstrittenen Rechtsfrage. Hoffen wir, daß der BGH mit einer Ansicht Recht behält und diese Rechtsprechung nicht zu einer Inflation modifizierter Hakenkreuze und damit in kaum mehr lösbare Abgrenzungsprobleme - und letztenendes dann zum Gesinnungsstrafrecht - führt.

Nicht vergessen sollte man dabei, daß auch die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart - auf der Basis der bisher dazu ergangenen, auch höchstrichterlichen - Rechtsprechung (die leider auch in Fachkreisen offenbar nicht wirklich bekannt ist) durchaus tragfähig war.

Mikado: Entscheidung des Amtsgericht

Das Amtsgericht Halle hat mit Beschluß vom 11.03.2007 - Az. 395 Gs 34/07 - erwartungsgemäß die Rechtmäßigkeit des Vorgehens im sogenannten "Mikado"-Verfahren bestätigt, wie u.a. das Lawblog berichtet. Dort ist auch der Beschluß dokumentiert.

Wie bereits ausgeführt halte ich diese Entscheidung für richtig. Bedenklich ist meines Erachtens aber die Bewertung, die Beschwerdeführer seien durch den bloßen Besitz einer Kreditkarte und die damit erfolge Einbeziehung ihrer Datensätze in die Abfrage in ihren Rechten betroffen. Logisch fortgeführt bedeutet das, daß gegen jede Halterabfrage eines Kfz-Kennzeichens der Rechtsweg durch jeden Kraftfahrzeughalter eröffnet ist, sind doch seine Datensätze zwingend von dieser Abfrage - bei der die Datenbank der Kraftfahrzeughalter auf den- oder diejenigen Datensatz/Datensätze durchsucht wird, auf den oder die das Kennzeichen (oder das bekannte Teilkennzeichen) paßt - betroffen.

Pornographie in virtuellen Welten

Bei NTV fand sich dieser Tage ein interessanter Beitrag über die rechtliche Beurteilung pornographischer Live-Darstellungen in MMORPG, also großen Multiplayer-Online-Rollenspielen wie bspw. "Second Life".

Obwohl es nicht  besonders überraschend sein sollte, daß die Verbreitung von Pornographie an Minderjährige und von Gewalt- und Tierpornographie grundsätzlich strafbar ist, genauso wenig, wie es nicht darauf ankommt, ob es sich um Texte, Fotos oder Zeichungen im weitesten Sinne, einschließlich Comics und Computeranimationen handelt, gab es darüber offenbar doch einiges an Erstaunen. Man sollte sich daher dabei vor Augen halten, daß eben gerade nicht "virtuelles" Handeln plötzlich strafbewehrt wird - die Vergleiche mit der strafrechtlichen Ahndung von erschossenen Aliens in einem Computerspiel als "virtuellen Mord" gehen daher völlig fehl -, schließlich ist die "Live-Darstellung" von Pornographie im realen Leben (von Ausnahmen abgesehen) gerade nicht strafbar. Sehr wohl strafbar ist aber die Verbreitung bestimmter Arten von pornogrpahischen Schriften und Darstellungen, bzw. die Verbreitung auf eine bestimmte Art und Weise, sowie deren Übertragung, bspw. im Fernsehen. Und genau das passiert, wenn "Avatare Sex haben".

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Unkenntnis führt zu Strafverfolgung

"Unkenntnis schützt vor Strafe nicht", so spricht der Volksmund - nicht ganz zutreffend - aus. Manchmal führt Unkenntnis aber auch zur Strafverfolgung: nämlich dann, wenn diese Unkenntnis auf Seiten der Strafverfolger besteht.

Ein solcher Fall liegt bei der von "Spiegel online" berichteten Einleitung von mehreren hundert Ermittlungsverfahren gegen Ebay-Kunden wegen des Verdachts der Hehlerei nahe. Daß der Ankauf von Gegenständen zu einem geradezu lächerlichen Preis (hier: 1,- EUR als Erstgebot) ohne erkennbare Begründung für ebendiesen insbesondere im Zusammentreffen mit anderen auffälligen Umständen den Anfangsverdacht der bedingt vorsätzlichen Hehlerei begründet, ist nämlich grundsätzlich richtig und auch nicht neu. Wer - bspw. - die berühmten “vom Lkw gefallenen”, ersichtlich unbeschädigten HiFi-Geräte im Wert von mehreren hundert oder tausend Euro für einen Fünfziger direkt von der Ladefläche eines geparkten Miet-Lkw in einer Nebenstraße kauft, nimmt eben regelmäßig zumindest billigend in Kauf, daß diese Waren nicht aus legaler Quelle stammen. Soweit hat die ermittelnde Staatsanwaltschaft recht.

Diese Überlegungen auf Ebay zu übertragen ist allerdings unsinnig und rechtlich falsch, weil dort auch hochwertige Gegenstände mit einem Anfangsgebot von 1,- EUR eingestellt werden. Das ist - ebenso wie das ganze Bieterverhalten dort an sich und noch einiges andere - natürlich völlig widersinnig und kaum logisch begreifbar, aber es ist Fakt (und wird dann in der Praxis wohl meist durch das Überbieten mit Fake-Accounts, Nichtlieferung ohne Begründung oder angeblichen Verlust der Ware “gelöst”, in der sicheren Annahme, daß deshalb schon keiner vor Gericht ziehen wird). Daher ist die Annahme der Staatsanwaltschaft hier ersichtlich falsch; man darf vermuten, daß sie aus der angesprochenen Unkenntnis der Üblichkeiten des Handels bei Ebay resultiert. Berücksichtigen muß man dabei wohl, daß jemand, der sich mit dem Ebay-Handel nicht auskennt, schlicht nicht verstehen können wird, wie man hochwertige Gegenstände für lächerliche Beträge anbietet, eben *weil* es so widersinnig ist und jedwedem logischen Denken und der bisherigen Lebenserfahrung Hohn spricht.

Glücksspiel aus strafrechtlicher Sicht

Insbesondere im Zusammenhang mit dem (Online-)Pokerspiel wird zunehmend diskutiert, ob es sich in strafrechtlicher Hinsicht um ein Glücksspiel handelt. Wer will sich schon durch das Mitspielen beim Online-Poker strafbar machen? (Dazu sei übrigens auf den sehr hörenswerten Beitrag der Kanzlei Dr. Bahr verwiesen.) Auszugehen ist dabei von der Definition des Glücksspiels im strafrechtlichen Sinne:

Ein Glücksspiel - das u.a. von Geschicklichkeits- und Unterhaltungsspielen abzugrenzen ist - ist "ein nach vorbestimmten Regeln verlaufendes ‘Spielen’ um Gewinn oder Verlust, dh ein -zumeist einfach strukturiertes - Handeln, bei dem die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, das seiner generellen Bestimmung nach auf die Erzielung eines geldwerten Gewinns ausgerichtet ist und in dessen Rahmen für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgeld verlangt wird" (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 284 Rz. 4).

Folgende Voraussetzungen müssen demnach kumulativ zusammenkommen:

  • Es wird für das Spiel ein nicht ganz unerheblicher Einsatz verlangt, durch den die Chance auf den erstrebten Vorteil - den Gewinn - erlangt wird (aaO, Rz. 5).
  • Es muss die Möglichkeit eines nicht ganz unbedeutenden, geldwerten Gewinnes geben (aaO, Rz. 7).
  • Die zufallsbedingte, nur mathematische Gewinnwahrscheinlichkeit läßt sich durch individuelle Anstrengung nicht wesentlich verbessern. Die "Entscheidung über Gewinn oder Verlust [hängt] nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler [ab], sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall. Massgebend dafür sind die Spielverhältnisse, unter denen das Spiel eröffnet ist und gewöhnlich betrieben wird, also die Fähigkeiten und Erfahrungen des Durchschnittsspielers" (BGH, 1 StR 739/51).
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Weitere Mikadostäbchen

Das Mikado-Verfahren schlägt weiter hohe Wellen. Daher möchte ich noch einige Bemerkungen ergänzen.

1. Knackpunkt des Verfahrens dürfte wohl die Verpflichtung der Bankmitarbeiter sein, als Zeugen Angaben zu dem entsprechenden Sachverhalt zu machen; an dem Vorliegen eines Anfangsverdachtes und dem Nichtvorliegen einer Rasterfahndung bestehen meines Erachtens keine ernsthaften Bedenken. Problematisch dürfte aber sein, daß es heutzutage schlicht keinen Bankmitarbeiter geben wird, der Transaktionen bestimmter Kunden bearbeitet, so daß er darüber Auskunft geben könnte; es besteht nämlich zwar eine Verpflichtung des Zeugen, sich ggf. des von ihm wahrgenommenen Sachverhaltes noch einmal zu vergewissern und dazu zur Auffrischung des Gedächtnisses auch Unterlagen zu Rate zu ziehen. Jedoch besteht keine Verpflichtung, sich erst Informationen zu Vorgängen zu verschaffen, die man tatsächlich bis dato noch nicht wahrgenommen hat. Eine weitergehende Auslegung, die auch Vorgänge umfaßt, die der Zeuge hätte wahrnehmen können bzw. die sozusagen zu seiner "Wahrnehmungssphäre" gehören, erscheint mir fraglich.

2. Das ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit eines solchen Auskunftsersuchens; die Ermittlungsbehörden dürfen durchaus fragen, und die Banken dürfen auch antworten, selbst wenn sie wissen, daß es keinen informierten Mitarbeiter gibt, der für eine Zeugenladung in Betracht kommt bzw. weitergehende Auskünfte geben kann.

3. Datenschutzrechtlich ist das Vorgehen nicht zu beanstanden. § 28 Abs. 3 Nr. 2 BDSG gestattet die Datenweitergabe, soweit dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

4. Diejenigen Kreditkarteninhaber, deren Daten nicht zum Auswertungsergebnis gehören, sind von der Maßnahme gar nicht erst betroffen.

Mikadostäbchen

In den letzten Tagen bewegten die Ermittlungsmaßnahmen des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt und der Staatsanwaltschaft Halle im Zusammenhang mit der Verbreitung und dem Sichverschaffen von Kinderpornographie im Internet die Gemüter - nicht nur der Spiegel berichtete. Wenn man die Presse, vor allem aber Stellungnahmen in diversen Onlinemedien - Blogs, Diskussionsforen usw. - studiert, bekommt man den Eindruck, dort hätten einige übermotivierte Fahnder ohne jede rechtliche Grundlage Kreditinstitute durch erfundene Drohungen gezwungen, sie alle Kreditkartenkonten bundesweit durchschnüffeln zu lassen, um dabei zu gucken, ob nicht irgendwann mal irgendjemand Kinderpornographie gekauft hat, denn in solchen Fällen rechtfertigt der Zweck die Mittel. Es fallen Stichworte wie Generalverdacht, Willkür, Rastfahndung und Polizeistaat. Das rechtfertigt es, sich einmal aus rechtlicher Sicht mit den Maßnahmen zu beschäftigen, soweit sich der tatsächliche Sachverhalt aus der Presseberichterstattung erahnen läßt, um festzustellen, ob es sich wirklich um einen Skandal oder viel Lärm um nichts handelt.

1. Der vermutliche Sachverhalt

Auf einer Webseite wurden gegen Bezahlung kinderpornographische Bilder ("Schriften" im Sinne des umfassenden strafrechtlichen Begriffes) angeboten. Auf die Mitteilung durch einen privaten Fernsehsender hin wurden die Ermittlungen aufgenommen und ergaben, daß gegen Zahlung eines bestimmten Betrages (rund 80,- EUR) per Kreditkarte, abgewickelt durch einen Zahlungsdienstleister auf den Philippinen Zugriff auf die Bilder usw. zu erhalten war. Daraufhin wurden bundesweit alle kartenausgebenden Stellen unter (dem Wortlaut nach nicht bekanntem) Verweis auf eine mögliche Strafbarkeit im Weigerungsfalle aufgefordert, zu überprüfen, ob ihre Kunden den benannten Betrag an den bekannten Dienstleister bezahlt haben; die Unternehmen haben die Daten von über 300 Kunden mitgeteilt, bei denen daraufhin Durchsuchungen stattfanden, die in der Regel offenbar erfolgreich verliefen. Etliche der Beschuldigten sollen einschlägig vorbestraft oder auffällig gewesen sein.

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