Wasteland 2
Ich weiß, es ist die falsche Reihenfolge - aber nach Wasteland 3 habe ich mir auf Empfehlung von onli Anfang des Jahres den Vorgänger, Wasteland 2 von 2014, heruntergeladen und angespielt.
Die Spiele sind sich sehr ähnlich; Wasteland 2 ist allerdings in der Bedienung m.E. noch nicht so ausgefeilt wie der Nachfolger. Ich habe mich diesmal entschlossen, mir einfach eine Party zu basteln und loszulegen, ohne lange Guides und Walkthroughs zu lesen; mal sehen, wie weit ich damit komme. Ein Vorteil ist sicherlich, dass mir die Spielmechanismen im großen und ganzen aus Wasteland 3 vertraut sein sollten.
Erster Eindruck: die Attribute sind sehr ähnlich, die Spielmechanismen sind es auch. Etwas ungewohnt ist zunächst, dass die Ranger hier, in ihrer angestammten Heimat, weniger Überblick über die Umgebung haben und sich nicht etwa motorisiert, sondern zu Fuß durch die (zudem noch weitgehend unbekannte) Wüste bewegen; und auch zahlenmäßig hatte ich den Eindruck, dass Team November in Colorado nach seiner Anwerbekampagne nicht weniger Personal zur Verfügung hatte als hier am “Stammsitz” herumläuft. Nun denn.
Die Grundzüge der Story kenne ich ja, warum also nicht einfach loslegen?
Ich werde mich bei der Beschreibung der Spielmechanismen kurz fassen und weitgehend auf meine Beschreibung von Wasteland 3 verweisen, denn vieles ist einfach ähnlich.
Charaktererstellung und -entwicklung
Auch Wasteland 2 lässt die Wahl zwischen “fertigen” Charakteren und eigenen, selbst erstellten; hier sind aber direkt alle vier Partymitglieder zu erstellen. Dazu können noch 2-3 Begleiter kommen, wie wir das auch aus Wasteland 3 kennen. Die Attribute und Skills sind weitgehend identisch - wie ich dann aber im Spielverlauf festgestellt habe, gibt es im einzelnen schon noch Unterschiede. Wo Wasteland 3 nur “Lockpicking” kennt, trennt Wasteland 2 zwischen “Lockpicking” und “Safecracking”; wo Wasteland 3 nur “Hard Ass” und “Kiss Ass” kennt, um entsprechende Konversationsoptionen freizuschalten, gibt es hier noch “Smart Ass”.
Die Skills kosten von Anfang an mindestens zwei Punkte pro Steigerung, wenn ich das richtig sehe; das ist “teurer” als in Wasteland 3. Wenn man hinzunimmt, dass es offensichtlich auch mehr Skills gibt, bedeutet das wohl, dass sie langsamer steigen werden.
Ansonsten verläuft die Charaktererstellung anfangs wie gewohnt: Name, Geschlecht, Porträt, Aussehen des Characters; auch kann man sich eine Backstory ausdenken und als Freitext eingeben. Dafür hatte ich allerdings weder Nerv noch Geduld; ich glaube nicht, dass ich soviel … nun ja … emotionales Investment für die Charaktere aufbringen werde. Aber unter Rollenspielgesichtspunkten hat das natürlich etwas für sich.
Danach sind Attribute und Skillpunkte zu verteilen; einen “Background” mit Bonuspunkten gibt es nicht, aber die “Quirks”.
Ich stelle mein Team im Prinzip so zusammen wie in Wasteland 3, nachdem ich einen kurzen Blick auf das “fertige” Team geworfen habe: meinen “Hauptcharakter” mit Sturmgewehr, ein Scharfschützin, eine Nahkämpferin und einen Typen für schwere Waffen. Auch Skills verteile ich so ähnlich wie beim letzten Mal, dann muss ich mich nicht umstellen. Vielleicht sollte ich die Verteilung später noch einmal in Ruhe durchdenken und darauf achten, dass ich auch wirklich jeden Skill abdecke; mal schauen. Diesmal habe ich jedenfalls an die Toaster-Reparatur gedacht; dafür hatte ich schon etliche Momente, wo mir mangels Hard/Kiss/Smart Ass interessante Konversationsoptionen abgeschnitten waren. Sei es drum, es geht nie alles.
Der Levelaufstieg funktioniert etwas ungewohnt: es muss die Basis angefunkt werden, die dann eine “Feldbeförderung” vornimmt. Erst dann können die Werte verbessert werden. Was mich hier überrascht hat: es gibt regelmäßig nur Skillpunkte, und bisher nur für jeden vierten Level einen Perk - eine Möglichkeit, weitere Punkte für die Attribute zu vergeben, gab es bisher gar nicht. Das ist deutlich anders als bei Wasteland 3: dort gibt es bei jedem Levelaufstieg einen Punkt für die Attribute, drei Punkte für die Skills und einen Perk. Wasteland 2 ist da ganz anders: es gibt bei jedem Levelaufstieg mindestens zwei Skillpunkte zu verteilen; mehr nur bei entsprechenden Attributwerten. Perks gibt es alle vier Level, aber Attributpunkte nur alle zehn (!) Level. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich sehr viel mehr Hirnschwalz auf die Verteilung der Attribute verwendet und sie nicht mehr oder weniger wahllos verteilt, sondern genau abgewogen, wo ein zusätzlicher Punkt weitere Wirkungen hat (mehr Aktionspunkte im Kampf, ein Skillpunkt mehr für jeden Levelaufstieg) und wo nicht. Das ist ein deutliches Manko meiner Party; ich hatte angenommen, dass bis Level 20 insgesamt 20 Attribut-Punkte zu verteilen sind und nicht nur zwei.
Bei den Skills werden bei bestimmten Punktwerten in der Regel keine Sonderfähigkeiten freigeschaltet, die ab dann im Kampf zur Verfügung stehen, sondern Perks - die man dann aber auch erst beim Levelaufstieg (jeden vierten Level) noch “buchen” muss.
Ausrüstung und Bewaffnung
Für das Inventory gilt im Prinzip dasselbe wie in Wasteland 3 - mit dem Unterschied, dass mir hier tatsächlich zwischendurch die Munition ausgegangen und jetzt immer noch sehr knapp ist. Mal schauen.
Im Unterschied zu Wasteland 2 ist das Inventory nicht zwischen der Party aufgeteilt, sondern jeder hat sein eigenes Inventory; das bedeutet auch, dass man Munition ggf. aufteilen muss. (Und ich habe momenten drei Party-Mitglieder, die dieselbe Munition nutzen; das hat noch Verbesserungspotential.)
Kampfsystem
Das Kampfsystem ist weitgehend identisch zu Wasteland 3; anders geregelt ist aber die Initiative. In Wasteland 3 sind in der Regel zunächst alle Spielercharaktere am Zug, dann alle Gegner. Die Reihenfolge, in der man seine Charaktere ziehen lässt, kann man auswählen. Wasteland 2 macht das wie Divinity: Original Sin 2 (und wie auch die meisten Rollenspielsysteme): die Initiative - also wer in welcher Reihenfolge seinen Zug machen darf - ist von den Charakterwerten abhängig, und am oberen Bildschirmrand wird die Zugreihenfolge angezeigt. Das ist wichtig; so will man bspw. primär die Gegner angreifen, die als nächstens dran sind, und vielleicht nicht die, die ihren Zug schon gemacht haben. Vor allem aber bedeutet das auch, dass man seine eigenen Charaktere nicht in beliebiger Reihenfolge ziehen kann. Steht ein Charakter mitten in einem Durchgang, müssen alle Charaktere, die dadurch keine Sicht auf den Gegner haben, ihre Züge verschenken, bis er Platz machen kann; und man kann nicht erst mit einem “starken” Fernwaffencharakter loslegen und mit den schwächeren dann schauen, welcher Gegner schon so angeschlagen ist, dass ihm der Charakter den Rest geben kann. Das bedarf einer ganz anderen Taktik.
Zudem gibt es weder durch Skills freigeschaltete Sonderfähigkeiten noch durch Treffer “aufladbare” Spezialaktionen; vielleicht scheint das Abhocken (statt dem Stehen) eine besondere Bedeutung zu haben, und es gibt immer einen “Precision shot” mit geringerer Trefferwahrscheinlichkeit, aber höherer Wirkung. Diese Mechanismen muss ich noch ausprobieren. Insgesamt bedeutet das aber, dass die Steigerung von Waffenfähigkeiten hier nicht so die Bedeutung hat wie in Wasteland 3, denn es erhöht sich schlicht die Wahrscheinlichkeit normaler und kritischer Treffer, es gibt aber keine Spezialfähigkeiten freizuschalten.
Statt eines “Koppels” mit beschränktem Fassungsvermögen, das nur Platz für zwei (oder drei) Gegenstände bietet, die dann im Kampf verwendet werden können, habe ich hier eine größere Schnellauswahlleiste - in der ich aber neben Gegenständen auch spezielle Fähigkeiten unterbringen muss. Granaten usw., die ich werfen will, müssen zudem als Zweitwaffe ausgewählt sein. Ich kann also nicht zwei Waffen führen und Granaten ans Koppel hängen.
Praktisch ist, dass man “Loot” gezielt auf einzelne Partymitglieder verteilen kann, also nicht erst einer alles aufhebt und dann verteilen muss.
Steuerung und Grafik
Die Grafik ist okay, wenn auch noch nicht auf dem Niveau von Wasteland 3; sie tut aber weitgehend ihren Zweck.
Die Steuerung ist im Prinzip wie bekannt, aber mit einem wesentlichen Unterschied: wenn ich in Wasteland 3 auf ein Element geklickt habe - eine Tür, eine Truhe, was auch immer -, dann wurde mir automatisch der passende Skill oder die Verwendung des passenden Werkzeugs angeboten: Lockpickung, Ausgraben, was auch immer. Das ist hier, soweit ich sehe, nicht so. Wenn ich eine Stelle erkenne, an der offensichtlich etwas vergraben wurde, reicht es nicht, darauf zu klicken; ich muss den Charakter mit der Schaufel auswählen, auf die Schaufel klicken und dann erst die passende Stelle anklicken. Ähnlich ist das bei Türen, Truhen und so weiter; wenn ich sie (mit der richtigen Maustaste) anklicke, bekomme ich die möglichen Aktionen angeboten und muss mir eine davon aussuchen. Das bietet andererseits oft Alternativen; man kann bspw. Schlösser teilweise knacken oder hacken oder aufbrechen. Insgesamt läuft das Spiel so allerdings weniger flüssig. Was m.E. auch anders ist: in Wasteland 3 hat man entweder einen ausreichend hohen Skill und kann das Schloss knacken, den Alarm entschärfen usw. oder eben nicht. Hier gibt es (neben der Möglichkeit, dass der Skill nicht ausreicht und der Skillcheck unmöglich ist) Prozentwerte, so dass man ggf. mehrfach versuchen kann und muss, das Ziel zu erreichen. Das ist auch nicht schlecht und jedenfalls eine brauchbare Variante, bietet aber auch die Möglichkeit, dass man einen “critical failure” würfelt und sich dabei verletzt oder den Gegenstand zerstört. Wie in Wasteland 3 übernimmt der Charakter mit dem jeweils höchsten Skillwert die Ausführung des Skillchecks, wenn man die ganze Party markiert hat, ganz egal, welcher Charakter aktiv ist; in Wasteland 2 kommentiert er das noch latent genervt (“Mach mal Platz, das ist meine Spezialität!”).
Auch Quest Items werden nicht automatisch verwendet, sondern man muss sie in die Schnellzugriffsleiste packen, dort auswählen und dann den Ort anklicken, an dem sie verwendet werden sollen. Das bedeutet auch, dass nicht automatisch klar ist, wo etwas zu tun ist; in Wasteland 3 wird der Ort hervorgehoben und es genügt, ihn anzuklicken, hier muss man das richtige Item auswählen und dann klicken - sonst hat man den Eindruck, dass es dort nichts zu tun gibt.
Und schließlich gibt es keine Taste, die alle Charaktere und alle Gegenstände, mit denen interagiert werden kann, hervorhebt; man muss vielmehr genau schauen und mit der Maus über alle auffälligen Pixel fahren, damit man keine Interaktionsmöglichkeiten übersieht.
Wie in Wasteland 3 sind die meisten Locations über die Weltkarte verbunden, die man hier nicht mit dem Fahrzeug befährt, sondern durchwandert; sinnigerweise mit ausreichend Wasser, das man (bspw.) an Oasen wieder auffüllen kann. Auch hier gibt es Strahlung, in Form von radioaktiven Wolken, die ggf. den Weg versperren, bis man über die erforderlichen Ausrüstunsgegenstände verfügt. Man kann die Karte selbst erforschen, bekommt aber auch einige Locations dort eingetragen, wenn der Plot fortschreitet, die man dann gezielt ansteuern kann.
Story und mein Weg
Vorsicht! Der folgende Text kann Spoiler enthalten! (Andererseits, das Spiel ist sieben Jahre alt … da darf man vielleicht spoilern.)
Wir sind Team Echo, ein Team von vier Rekruten, Greenhorns - trotzdem schickt uns unser kommandierender General auf eine Mission, die schon einen erfahrenen Captain das Leben gekostet hat: wir sollen herausfinden, was mit ihm geschehen ist, als er versuchte, den ersten von drei Peilsendern an einem Sendemast anzubringen, um mehr über seltsame Funksendungen zu erfahren, die u.a. den Rangern drohen. Danach sollen wir seine Mission fortsetzen. Und damit wir uns wirklich beweisen können, dürfen wir erst danach das Hauptquartier betreten und uns ausrüsten. (Das macht auch allenfalls spieltechnisch Sinn; als Storyline finde ich das einigermaßen gaga.)
Wir brechen also mit Angela Deth - die wir schon aus Wasteland 3 kennen, bzw. vielmehr dort wiedersehen werden - auf, finden heraus, dass ein Roboter (bzw. Synth) den Vermissten getötet hat, finden die Peilsender und machen uns auf, um diese anzubringen. Auf dem Weg bekommen wir allerdings gleichzeitig Hilferufe von beiden Zielen, die wir aufsuchen sollen - und natürlich können wir nur eines retten (auch das eine Parallele zu den ersten Missionen bei Wasteland 3). Ich entscheide mich für die biologische Forschungseinrichtung mit dem Mutantenproblem, sorge dort für Ordnung, bringe den Peilsender an und rette auch noch die drei Dörfer, die von dort aus kontaminiert wurden (wohlgemerkt: die Orte, nicht die Bewohner - die haben es hinter sich). Danach streife ich durch die Ruinen meines zweiten Ziels; der Sendemast ist allerdings zerstört. Also zurück zum Hauptquartier, wo ich erstmal versehentlich alles in die Luft jage (wer stellt denn auch zündfähige Nuklearsprengköpfe in eine Ausstellung, wo man nur auf den Auslöser drücken muss?!), schnell reloade und mir dann weitere Aufträge abhole.
Mal schauen, wie es weitergeht. Bis jetzt finde ich es nicht so “polished” wie Wasteland 3, aber sicherlich vergnüglich.
Was andere meinen
- Vor rund zwei Jahren hat auch onli das Spiel ausprobiert:
Wasteland 2: Director’s Cut
Kommentare
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onli am :
Es freut mich, dass du die Empfehlung aufgegriffen hast Wünsche dir viel Spaß.
Ich habe Wasteland 2 mindestens dreimal angefangen. Das erste mal fand ich es so umständlich, zudem lief die Linuxvariante instabil, dass ich es bei der ersten Reise auf der Weltkarte direkt aufgab. Das zweite mal entspricht wohl ungefähr deinem jetzigen Anlauf. Ähnlich wie du beschreibst hatte meine Gruppe fehlende Fähigkeiten und ich hatte falsche Annahmen bei den Attributen, sodass ich nach ein paar Stunden mit einer neugebauten Gruppe (gleiche Charaktere, nur optimiert) nochmal neugestartet habe. Mit ihr konnte ich das Spiel aber dann komplett durchspielen.
Eventuell gab es danach noch eine vierte Gruppe um ein paar Alternativen auszuprobieren, aber wahrscheinlich gab ich die relativ schnell auf, denn die Erinnerung daran ist sehr vage. Aber es ist bei mir meistens so, dass der zweite Durchgang nicht bis zum Ende klappt - es gibt zu viele gute Spiele. Andererseits erinnere ich mich daran, eine späte Stelle mehrfach gesehen zu haben, vielleicht war Wasteland 2 doch eine Ausnahme.
An Munitionsmangel kann ich mich auch erinnern, die Bombe habe ich ebenfalls gezündet. Damit rechnet man doch nicht…
Thomas Hochstein am :
Danke, davon hatte ich schon recht viel und den werde ich - sobald wieder etwas Zeit frei wird - auch wieder haben.
Tatsächlich bin ich schon ein gutes Stück weiter, als dieser Beitrag vermuten lässt; anderthalb weitere sind noch in der Pipeline. Ich weiß allerdings noch nicht, wann ich mal wieder ein paar freie Abende oder ein freies Wochenende haben werde, um vielleicht den Rest durchzuspielen.
Ich habe das, glaube ich, ganz gut in den Griff bekommen, allerdings habe ich - wie mir erst verspätet bewusst wurde - auch auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe gespielt. Aber wie gesagt, in den nächsten Wochen kommt noch mindestens Teil 2, vielleicht auch schon Teil 3.
mitch am :
Hier fliegt mir Wasteland 2 unter Linux jedes Mal nach der Charaktererstellung auf die Nase.
Ich hab’s aber bisher nicht unter Wine probiert und frage mich gerade, warum ich auf die Idee noch nicht gekommen bin… Aber erstmal X:Com weiterspielen