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Strafrechtlicher Schutz elektronischer Nachrichten

Post- und Fernmeldegeheimnis genießen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Dies drückt sich nicht nur in strafprozessualen und präventiven Rechtsnormen aus, die den Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses dem Staat gegenüber dienen, sondern gilt auch gegenüber Privaten. So stellt bspw. § 88 Abs. 3 S. 1 TKG klar, daß auch Fernmeldedienstleister nicht einfach Einblick in die Kommunikation ihrer Kunden nehmen dürfen, also bspw. deren E-Mail-Verkehr mitlesen.

Für den Bereich des Post- und des Telefoniewesens werden diese Verbote durch strafrechtliche Schutzvorschriften flankiert: §§ 202 Abs. 1, 206 Abs. 2 Nr. 1 StGB sanktionieren den Zugriff auf verschlossene Postsendungen durch Mitarbeiter des Postunternehmens (und Dritte), § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt das Abhören von Telefongesprächen generell unter Strafe. Aber wie sieht es mit E-Mails und anderen elektronischen Kommunikationsformen aus? Bei näherer Betrachtung tun sich überraschende Strafbarkeitslücken auf.

§ 202 StGB, der das Briefgeheimnis schützt, betrifft nur verschlossene (!) Schriftstücke (!), also körperliche Gegenstände, und ist damit für den Schutz von E-Mails u.ä. nicht fruchtbar zu machen.

§ 202a StGB, der das Ausspähen von Daten durch Überwindung einer Sicherung gegen unbefugten Zugriff betrifft, dürfte nicht einschlägig sein, weil Systemadministratoren u.a. Mitarbeiter eines Mailproviders regelmäßig Zugang zu den entsprechenden Systemen und Daten haben, also keine besondere Sicherung überwinden.

Und in der eigentlichen Spezialvorschrift zum Post- und Fernmeldegeheimnis, nämlich § 206 StGB, ist zum einen schon generell sehr umstritten, ob "Sendungen" im Sinne von Abs. 2 der Vorschrift nur körperliche Gegenstände sein können, was die herrschende Meinung in der Literatur annimmt, das OLG Karlsruhe jedoch in einem (der in der Regel nur im Promillebereich erfolgreichen) Klageerzwingungsverfahren für die Variante des Unterdrückens von Sendungen (§ 206 Abs. 1 Nr. 2 StGB) bestreitet (Beschluß vom 10.01.2005, 1 Ws 152/04). Für unsere Fragestellung kommt es darauf jedoch gar nicht an, weil die Tatbestandsvariante des § 206 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausdrücklich "eine Sendung, die einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraut und verschlossen ist", verlangt; das kann - unstreitig - nur körperliche Gegenstände betreffen. Auch hier ist also der unbefugte Zugriff auf E-Mails u.ä. durch Mitarbeiter des Anbieters nicht strafbewehrt.

Im TKG finden sich gleichfalls keine auf § 88 Abs. 2 TKG bezogenen Strafnormen.

Womit ich die Frage dann mal an die Leserschaft weitergeben möchte - übersehe ich eine Strafnorm, oder ist der unbefugte Zugriff auf textuelle elektronische Kommunikation schlicht strafrechtlich bisher nicht sanktioniert?

Hakenkreuze: Karlsruhe locuta

Der BGH hat heute entschieden, dass die Verwendung und Verbreitung durchgestrichener Hakenkreuze und vergleichbarer "Anti-Nazi-Symbole", bei denen sich bereits aus dem Symbol selbst die Ablehnung der nationalsozialistischen Ideologie ergibt, nicht gemäß § 86a StGB strafbar ist.

Tragende Erwägung war offenbar - nach der mündlichen Urteilsbegründung - die Fortführung und teilweise Modifizierung der von mir bereits ausführlich wiedergegebenen bisherigen Rechtsprechung, nach der Kennzeichenverwendungen ausgenommen sind, wenn sich aus dem Umständen ergibt, daß der Schutzzweck der Norm nicht tangiert wird. Der BGH hat nunmehr ausgesprochen, daß es auch genügt, wenn bereits der Inhalt der Darstellung alleine in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der nationalsozialistischen Ideologie und das Ziel von deren Bekämpfung zum Ausdruck bringt. Er hat weiter ausgesprochen, daß dies auch für den massenhaften Vertrieb - und dann wohl auch für die massenhafte Verwendung - gilt. Es sei nicht damit zu rechnen, daß Anhänger des Nationalsozialismus diese oder vergleichbare Symbole für sich verwenden würden.

Diese Entscheidung ist sicherlich gut vertretbar, mit der bisherigen Rechtsprechung vereinbar, und sorgt vor allem für eine Klärung der bisher umstrittenen Rechtsfrage. Hoffen wir, daß der BGH mit einer Ansicht Recht behält und diese Rechtsprechung nicht zu einer Inflation modifizierter Hakenkreuze und damit in kaum mehr lösbare Abgrenzungsprobleme - und letztenendes dann zum Gesinnungsstrafrecht - führt.

Nicht vergessen sollte man dabei, daß auch die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart - auf der Basis der bisher dazu ergangenen, auch höchstrichterlichen - Rechtsprechung (die leider auch in Fachkreisen offenbar nicht wirklich bekannt ist) durchaus tragfähig war.

Mikado: Entscheidung des Amtsgericht

Das Amtsgericht Halle hat mit Beschluß vom 11.03.2007 - Az. 395 Gs 34/07 - erwartungsgemäß die Rechtmäßigkeit des Vorgehens im sogenannten "Mikado"-Verfahren bestätigt, wie u.a. das Lawblog berichtet. Dort ist auch der Beschluß dokumentiert.

Wie bereits ausgeführt halte ich diese Entscheidung für richtig. Bedenklich ist meines Erachtens aber die Bewertung, die Beschwerdeführer seien durch den bloßen Besitz einer Kreditkarte und die damit erfolge Einbeziehung ihrer Datensätze in die Abfrage in ihren Rechten betroffen. Logisch fortgeführt bedeutet das, daß gegen jede Halterabfrage eines Kfz-Kennzeichens der Rechtsweg durch jeden Kraftfahrzeughalter eröffnet ist, sind doch seine Datensätze zwingend von dieser Abfrage - bei der die Datenbank der Kraftfahrzeughalter auf den- oder diejenigen Datensatz/Datensätze durchsucht wird, auf den oder die das Kennzeichen (oder das bekannte Teilkennzeichen) paßt - betroffen.

Pornographie in virtuellen Welten

Bei NTV fand sich dieser Tage ein interessanter Beitrag über die rechtliche Beurteilung pornographischer Live-Darstellungen in MMORPG, also großen Multiplayer-Online-Rollenspielen wie bspw. "Second Life".

Obwohl es nicht  besonders überraschend sein sollte, daß die Verbreitung von Pornographie an Minderjährige und von Gewalt- und Tierpornographie grundsätzlich strafbar ist, genauso wenig, wie es nicht darauf ankommt, ob es sich um Texte, Fotos oder Zeichungen im weitesten Sinne, einschließlich Comics und Computeranimationen handelt, gab es darüber offenbar doch einiges an Erstaunen. Man sollte sich daher dabei vor Augen halten, daß eben gerade nicht "virtuelles" Handeln plötzlich strafbewehrt wird - die Vergleiche mit der strafrechtlichen Ahndung von erschossenen Aliens in einem Computerspiel als "virtuellen Mord" gehen daher völlig fehl -, schließlich ist die "Live-Darstellung" von Pornographie im realen Leben (von Ausnahmen abgesehen) gerade nicht strafbar. Sehr wohl strafbar ist aber die Verbreitung bestimmter Arten von pornogrpahischen Schriften und Darstellungen, bzw. die Verbreitung auf eine bestimmte Art und Weise, sowie deren Übertragung, bspw. im Fernsehen. Und genau das passiert, wenn "Avatare Sex haben".

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Unkenntnis führt zu Strafverfolgung

"Unkenntnis schützt vor Strafe nicht", so spricht der Volksmund - nicht ganz zutreffend - aus. Manchmal führt Unkenntnis aber auch zur Strafverfolgung: nämlich dann, wenn diese Unkenntnis auf Seiten der Strafverfolger besteht.

Ein solcher Fall liegt bei der von "Spiegel online" berichteten Einleitung von mehreren hundert Ermittlungsverfahren gegen Ebay-Kunden wegen des Verdachts der Hehlerei nahe. Daß der Ankauf von Gegenständen zu einem geradezu lächerlichen Preis (hier: 1,- EUR als Erstgebot) ohne erkennbare Begründung für ebendiesen insbesondere im Zusammentreffen mit anderen auffälligen Umständen den Anfangsverdacht der bedingt vorsätzlichen Hehlerei begründet, ist nämlich grundsätzlich richtig und auch nicht neu. Wer - bspw. - die berühmten “vom Lkw gefallenen”, ersichtlich unbeschädigten HiFi-Geräte im Wert von mehreren hundert oder tausend Euro für einen Fünfziger direkt von der Ladefläche eines geparkten Miet-Lkw in einer Nebenstraße kauft, nimmt eben regelmäßig zumindest billigend in Kauf, daß diese Waren nicht aus legaler Quelle stammen. Soweit hat die ermittelnde Staatsanwaltschaft recht.

Diese Überlegungen auf Ebay zu übertragen ist allerdings unsinnig und rechtlich falsch, weil dort auch hochwertige Gegenstände mit einem Anfangsgebot von 1,- EUR eingestellt werden. Das ist - ebenso wie das ganze Bieterverhalten dort an sich und noch einiges andere - natürlich völlig widersinnig und kaum logisch begreifbar, aber es ist Fakt (und wird dann in der Praxis wohl meist durch das Überbieten mit Fake-Accounts, Nichtlieferung ohne Begründung oder angeblichen Verlust der Ware “gelöst”, in der sicheren Annahme, daß deshalb schon keiner vor Gericht ziehen wird). Daher ist die Annahme der Staatsanwaltschaft hier ersichtlich falsch; man darf vermuten, daß sie aus der angesprochenen Unkenntnis der Üblichkeiten des Handels bei Ebay resultiert. Berücksichtigen muß man dabei wohl, daß jemand, der sich mit dem Ebay-Handel nicht auskennt, schlicht nicht verstehen können wird, wie man hochwertige Gegenstände für lächerliche Beträge anbietet, eben *weil* es so widersinnig ist und jedwedem logischen Denken und der bisherigen Lebenserfahrung Hohn spricht.

Glücksspiel aus strafrechtlicher Sicht

Insbesondere im Zusammenhang mit dem (Online-)Pokerspiel wird zunehmend diskutiert, ob es sich in strafrechtlicher Hinsicht um ein Glücksspiel handelt. Wer will sich schon durch das Mitspielen beim Online-Poker strafbar machen? (Dazu sei übrigens auf den sehr hörenswerten Beitrag der Kanzlei Dr. Bahr verwiesen.) Auszugehen ist dabei von der Definition des Glücksspiels im strafrechtlichen Sinne:

Ein Glücksspiel - das u.a. von Geschicklichkeits- und Unterhaltungsspielen abzugrenzen ist - ist "ein nach vorbestimmten Regeln verlaufendes ‘Spielen’ um Gewinn oder Verlust, dh ein -zumeist einfach strukturiertes - Handeln, bei dem die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, das seiner generellen Bestimmung nach auf die Erzielung eines geldwerten Gewinns ausgerichtet ist und in dessen Rahmen für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgeld verlangt wird" (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 284 Rz. 4).

Folgende Voraussetzungen müssen demnach kumulativ zusammenkommen:

  • Es wird für das Spiel ein nicht ganz unerheblicher Einsatz verlangt, durch den die Chance auf den erstrebten Vorteil - den Gewinn - erlangt wird (aaO, Rz. 5).
  • Es muss die Möglichkeit eines nicht ganz unbedeutenden, geldwerten Gewinnes geben (aaO, Rz. 7).
  • Die zufallsbedingte, nur mathematische Gewinnwahrscheinlichkeit läßt sich durch individuelle Anstrengung nicht wesentlich verbessern. Die "Entscheidung über Gewinn oder Verlust [hängt] nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler [ab], sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall. Massgebend dafür sind die Spielverhältnisse, unter denen das Spiel eröffnet ist und gewöhnlich betrieben wird, also die Fähigkeiten und Erfahrungen des Durchschnittsspielers" (BGH, 1 StR 739/51).
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