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”Der Staatsanwalt in meinem Bett”

Heute habe ich - zufällig - am Frühstückstisch einmal einen Blick in die Sonntags-FAZ geworfen und bin natürlich direkt bei der Schlagzeile auf Seite 23 gelandet: ”Der Staatsanwalt in meinem Bett” (statistisch gesehen ist das vermutlich ein Erlebnis, das nachts gar nicht so wenige Frauen machen, denn auch Staatsanwälte sind ja ab und an verheiratet, aber darum soll es hier nicht gehen). Inhalt des Beitrags ist das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Darmstadt gegen die Sängerin Nadja B. wegen gefährlicher Körperverletzung durch ungeschützten Sexualverkehr trotz bekannter HIV-Infektion.

Nun kann man zu der Sache stehen, wie man will - die rechtliche Würdigung als gefährliche Körperverletzung, in einem Fall vollendet, in mehreren Fällen versucht, ist unspannend, nicht neu und bereits ausjudiziert; der Erlass und Vollzug eines Haftbefehls ausgerechnet wegen "Wiederholungsgefahr" läßt in diesem Fall eher schlüpfrige Gedanken aufkommen und verwundert ein wenig, zumal mit dem Bekanntwerden des Vorwurfs die Wiederholungsgefahr zumindest stark eingeschränkt sein dürfte; und über die Pressearbeit kann man sicherlich diskutieren, wobei ich eher auf dem Standpunkt stehen würde, daß es durchaus Aufgabe und sogar Verpflichtung einer Behörde ist, die Öffentlichkeit - und damit in erster Linie die Presse - über vergleichsweise spektakuläre Ermittlungsverfahren gegen Personen des öffentlichen Lebens zu informieren. Wie gesagt, es gibt durchaus Diskussionspotential, und insofern habe ich den Beitrag auch mit Interesse zu lesen begonnen.

Dieses Interesse hat sich aber sehr schnell gelegt, ja in Verärgerung verwandelt. Wie gesagt, zu der Sache stehen kann man, wie man will; man sollte aber doch, wenn man über sie schreiben will, sich zumindest informieren oder wenigstens den Gedanken, den man zu Papier bringt, zu Ende denken - zumal dann, wenn man für ein Blatt wie die FAZ schreibt. Ich kann mich des Gedankens allerdings nicht erwehren, daß der Autor das nicht getan hat. Denn er bleibt nicht bei der Frage nach der Pressearbeit der Justiz und dem Umgang der Medien mit dem Thema stehen, sondern geht noch einen Schritt weiter und kritisiert, daß sich die Strafjustiz überhaupt mit solchen Themen beschäftigt:

In der ARD-Sendung „Brisant“ vom 14. April erklärte der Staatsanwalt Ger Neuber: „Wir haben festgestellt, dass die junge Frau, die selbst HIV-positiv ist, ungeschützten Geschlechtsverkehr mit mindestens drei Personen hatte.“

Aha. Wer ist wir? Die einzige Art, den Ablauf einer sexuellen Handlung festzustellen, ist, dabei zu sein. Fand das, wie die Ziehung der Lottozahlen, unter notarieller Aufsicht statt?

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