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Besonders schwerer Raub

Das Strafgesetzbuch kennt neben dem Raub (§ 249 StGB) und den beiden verwandten Delikten "räuberische Erpressung" (§§ 253 Abs. 1, 255 StGB) und "räuberischer Diebstahl" (§ 242 Abs. , 252 StGB) auch noch Qualifikationen, nämlich den "Schweren Raub" (§ 250 StGB) und den "Raub mit Todesfolge" (§ 251 StGB), die gleichermaßen auch auf die verwandten Delikte anwendbar sind.

Dabei enthält § 250 StGB genau genommen zwei verschiedene Qualifikationstatbestände, jeweils mit mehreren Modalitäten. Abs. 1 der Norm befasst sich mit erschwerenden Gesichtspunkten, die zu einer Erhöhung der Mindeststrafe dieses Verbrechenstatbestands von einem auf drei Jahre führen; Abs. 2 erhöht die Strafdrohung dann nochmal auf eine Mindeststrafe von fünf Jahren (und führt damit, wenn keine Milderungsgründe ersichtlich sind, quasi automatisch zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landgerichts), und Abs. 3 regelt minderschwere Fälle.

Aufgrund dieser schon im Strafmaß doch deutlich unterschiedlichen Qualifikationstatbestände hat der BGH mit Beschluss vom 03.09.2009 - 3 StR 297/09 - (noch einmal, vgl. BGH NStZ-RR 2003, 328 und die Entscheidung vom 07.03.2006 - 3 StR 52/06 -, teilweise abgedruckt in NStZ-RR 2007, 74) ausgesprochen, dass in diesem Fall in der Urteilsformel zwischen dem schweren Raub nach § 250 Abs. 1 StGB und dem besonders schweren Raub nach § 250 Abs. 2 StGB zu unterscheiden ist, damit der erhöhte Unrechtsgehalt schon im Tenor zum Ausdruck kommt.

Das gleiche dürfte dann auch für die Abfassung des Anklagesatzes durch die Staatsanwaltschaft gelten.

Sexueller Missbrauch durch Reden

In Abwandlung eines geflügelten Wortes mag man sagen: "Angesichts von Reden über Schweinkram ist Schweigen Gold" - das gilt zumindest dann, wenn es sich bei den auf diese Weise angequatschten um Kinder handelt, wie in dem Fall, den das Oberlandesgericht Dresden in der Revisionsinstanz zu entscheiden hatte.

Der Angeklagte war in erster Instanz wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung das Amtsgericht zur Bewährung ausgesetzt hatte. Die Kleine Strafkammer des Landgerichts hatte in der Berufung das Urteil auf 6 Monate Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung wiederum zur Bewährung ausgesetzt wurde, abgemildert. Bei der Verurteilung wegen sexuellen Kindesmissbrauchs blieb es jedoch - dabei hatte (das jedenfalls stand alleinig zur Aburteilung an) der Angeklagte "nur" geredet.

Über folgenden Sachverhalt hatte des OLG Dresden (mit Beschluss vom 13.08.2009 - 2 Ss 352/09 -) entsprechend der Feststellungen in der letzten Tatsacheninstanz zu urteilen:

Den Feststellungen des LG zufolge fuhren die damals beide 11 Jahre alten Kinder T und C  am Nachmittag des 12. 1. 2006 mit einem Linienbus von der Schule nach Hause. Im selben Bus befand sich der Angeklagte.

"Im Bus war ausreichend Platz. Dennoch stellte sich der Angekl. mit seiner Vorderseite so dicht neben T, dass diese sich äußerst unangenehm bedrängt fühlte. Der Angekl. stand etwa 10 Minuten lang trotz ausreichend vorhandenen Platzes so dicht gedrängt bei dem Mädchen, bis er ebenso wie T und C an der Haltestelle Ch.-Straße aus dem Bus ausstieg. Der Angekl. verließ den Bus als erster, ging dann aber so langsam, damit er, wie von ihm beabsichtigt, nach wenigen Schritten von den beiden Mädchen eingeholt wurde. Als sich T neben dem Angekl. und neben ihr wiederum C befand, wandte sich der Angekl. an T und fragte diese leise, aber für sie deutlich wahrnehmbar entweder: "Hast Du meinen Schwanz gesehen"? oder "Hast Du meinen Schwanz gespürt?" Nachdem die völlig verblüffte T dies ängstlich verneint hatte, sagte der Angekl. zu ihr ebenfalls leise: "Ich hatte ihn doch extra draußen", was T wiederum deutlich wahrgenommen hat. Die die Begrifflichkeiten zwar kennende, aber in sexueller Hinsicht völlig unerfahrene T war dadurch sehr verstört und ging mit ihrer Freundin C schnell davon. Im Weggehen äußerte der Angekl. noch in Richtung der beiden Mädchen: "Du hast bestimmt eine schöne Muschi". T, die geschockt war und nur schnell weg wollte, nahm zwar wahr, dass der Angekl. noch einmal etwas gesagt hatte und ging davon aus, dass es sich um etwas "Sexuelles" handelte, verstand den Wortlaut aber nicht mehr. Ihre Freundin C verstand dies aber deutlich.

Dem Angekl. war von Anfang an bewusst, dass T und C noch nicht 14 Jahre alt und damit Kinder waren. Er handelte in sexueller Motivation."

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Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, daß die Vorschriften über die sog. Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten grundgesetzwidrig und damit nichtig sind.

So schockierend wie das zunächst klingt ergibt eine kurze Durchsicht der Urteilsgründe (ich hoffe, später noch mehr Zeit zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung damit zu finden) jedoch ein etwas differenzierteres Bild; auch die Pressemitteilung des Gerichts ist sicherlich mit Bedacht "Konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungsgemäß" betitelt.

Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst festgestellt, daß eine Vorratsdatenspeicherung in der bisher gesetzlich geregelten Art und Weise trotz aller dagegen vorgebrachten Argumente im Grundsatz verfassungsgemäß ist, soweit der Zugriff auf diese Daten nur zur Verfolgung gravierender Straftaten bzw. zur Abwehr entsprechend gravierender und hinreichend konkret gewordener Gefahren erfolgen darf; die nunmehr umrissenen Grenzen entsprechen im wesentlichen dem Inhalt der einstweiligen Anordnungen des Gerichts. Darüber hinaus fordert das Bundesverfassungsgericht bereits im Gesetz ausreichende Vorgaben zur Sicherstellung eines hohen Standards bei der Datensicherheit; daneben stehen weitere Erwägungen zur Frage der verdeckten Erhebung der Verkehrsdaten und zu erweiterten Benachrichtigungspflichten. Schließlich erteilt das Bundesverfassungsgericht der Behauptung eine Absage, daß die Finanzierung der notwendigen Umsetzungsmaßnahmen durch die Verpflichteten, also die Anbieter, selbst nicht der Verfassung entspreche.

Insgesamt also eine wohlabgewogene Entscheidung, die man nicht in allen Punkten teilen muß, aber mit der man leben kann. Unverständlich aber die mit der denkbar knappsten Mehrheit getroffene Entscheidung des Senats, die verfassungswidrigen Vorschriften über die konkrete Umsetzung für nichtig zu erklären, ohne dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, binnen einer kurzen Frist nach den Vorgaben des BVerfG nachzubessern. Diese Entscheidung ist nicht nur wegen der gravierenden Folgen für die Möglichkeit zur Verfolgung schwerer und schwerster Straftaten - von der Gefahrenabwehr will ich nicht zuletzt aufgrund mangelnder Kenntnis des Bereichs gar nicht sprechen -, sondern auch deshalb umso schwerer nachvollziehbar, weil das BVerfG sich in gewisser Weise in Widerspruch zu seinen eigenen einstweiligen Anordnungen setzt. Nachdem es festgestellt hat, daß die Regelungen im wesentlichen verfassungskonform sind, hätten m.E. genau die auch in den einstweiligen Anordnungen genannten Gründen dafür gesprochen, die bisherigen Regelungen im dort genannten Umfang bis auf weiteres in Kraft zu belassen, wie auch die Sondervoten betonen.

Nun ist also die Bundesregierung gefordert, sehr zeitnah eine Neuregelung entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu treffen. Es steht dringend zu hoffen, dass allerspätestens bis zum Jahresende eine solche Neuregelung in Kraft tritt.

Zu bedauern sind die Provider, die erst unter erheblichem Aufwand (und Kosten!) eine Vorratsdatenspeicherung umsetzen mussten, diese jetzt - wieder mit erheblichem Aufwand! - deaktivieren müssen, um sie dann demnächst wieder - mit aufgrund der erhöhten Datenschutzanforderungen noch höherem Aufwand - wieder einzuführen. Auch denen gibt das höchste deutsche Gericht mit seiner heutigen Entscheidung letztlich Steine statt Brot.