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Empfehlenswerte Dokumentationen

Ich schaue mir gerne Dokumentationen an - und damit meine ich weniger Filme über die beeindruckenden Landschaften Südamerikas oder die Tigerbeutelmaus in ihrem natürlichen ostafrikanischen Reservat als vielmehr technische geprägte Dokus oder Einblicke in bestimmte (mich interessierende) Berufsbilder. (Solche Einblicke schätze ich im Übrigen auch an Blogs, ganz gleich, ob sie aus dem Alltag eines Supermarktbetreibers, eines Hosters, eines Bestatters, eines Taxifahrers, eines Glasers oder Dachdeckers, einer Polizistin oder eines Feuerwehrmanns berichten - ja, das sind alles konkrete Beispiele. Leider sind nicht nur Blogs allgemein, sondern auch solche Blogs rar geworden.)

Gerne schaue ich mir an, was Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei so treiben, begleite aber gerne auch Abschlepper, Rohrreiniger, Tierärzte, Handwerker aller Art, Köche oder die verschiedenen Berufe, die sich auf einem Flughafen so tummeln. Im Prinzip (!) bieten dafür nicht nur Youtube, sondern auch die privaten Fernsehsender eine Fundgrube an Dokutainment-Serien; gerade die aber sind unerträglich: auf Action getrimmte Szenen, Laienschauspieler mit wenig realistischen Abläufen, hektische Schnitte, wenig hilfreiches Gelaber. Ab und an bin ich früher bspw. über “Achtung Kontrolle!” auf Kabel.1 gestolpert; das interessiert mich grundsätzlich schon, aber ist nur grenzwertig zu ertragen und zudem auf ständige Schnitte zwischen mehreren fortlaufenden Geschichten angelegt. Alles andere (“Ärger im Revier”, “Die Kochprofis”, “Rach der Restauranttester”, “Zuhause im Glück” und wie sie alle heißen) betrifft zwar durchaus interessante Themen, aber das kann man sich nicht wirklich antun.

Umso mehr möchte ich Beispiele für spannende, lebensnahe und qualitativ hochwertige Dokus hervorheben, die uns - wen überrascht es - der öffentlich-rechtliche Rundfunk liefert (der mich im Schnitt mit seinen Angeboten nicht besonders überzeugt, aber eben doch kann, wenn er will).

Feuer und Flamme

Von Feuer und Flamme hat der WDR mittlerweile vier Staffeln gedreht, zwei mit der Berufsfeuerwehr Gelsenkirchen und zwei mit der Berufsfeuerwehr Dortmund; eine fünfte Staffel ist wohl in der Mache. Die bisherigen Staffeln mit jeweils neun Folgen zu je 45 Minuten wurden 2017, 2018, 2020 und 2021 (nur sechs Folgen) ausgestrahlt.

Die einzelnen Folgen stellen jeweils die Arbeit einer Berufsfeuerwehr dar, die - wie in NRW und vielen “Nordländern” üblich - auch den Rettungsdienst betreibt. Der Fokus liegt auf Einsätzen, aber nicht nur auf spektakulären Einsätzen; natürlich sind ein Wohnungs- oder Großbrand oder ein schwerer Verkehrsunfall dabei, aber eben auch Türöffnungen, unspektakuläre Hilfeleistungen (Einfangen verirrter Tiere) oder Behandlungen, Fehleinsätze und Übungen. Dazwischen wird der Alltag auf der Wache gezeigt, teilweise - in den ersten Staffeln - ausführlicher, oft auch nur in Zwischenschnitten.

Alle Mitarbeiter tragen Bodycams, zudem sind Filmteams mit dabei. Das daraus erzeugte Material wird so zusammengeschnitten, dass man einen realistischen Eindruck des Geschehens erhält, sowohl des Gesamteinsatzes als auch einzelner Facetten (bspw. des Innenangriffs bei Rauch und nahezu Nullsicht); dabei sind die Einsätze, soweit sich das überblicken lässt, real und nicht nachbearbeitet. Die Einsatzkräfte machen das, was sie eben tun, und sind so, wie sie eben - gerade auch im Ruhrgebiet - sind: da gibt es flotte Sprüche und Spitznamen, und nicht immer läuft alles optimal oder wie im Lehrbuch. Wo Erläuterungen notwendig sind, werden die nicht vor Ort gegeben oder in Einsatzkleidung vor dramatisch blaulichternder Kulisse, sondern regelmäßig durch einen Feuerwehrmann (oder, natürlich, eine Feuerwehrfrau, obschon Frauen bei der Berufsfeuerwehr immernoch selten sind), der oder die vor einem standardisierten Hintergrund auf der Wache Erläuterungen zu den Abläufen gibt oder auch über seine/ihre persönlichen Erlebnisse, Erfahrungen und seinen/ihren Weg zur Feuerwehr berichtet. Die Einsätze sind hektisch, aber eben nur deshalb und so weit, weil und wie Einsätze eben hektisch sind; die Erklärungen sind es gerade nicht, und die Kameraführung ist es auch nicht.

In der Regel werden immer dieselben Wachabteilungen begleitet, so dass man die Zug- und Gruppenführer und andere handelnde Personen mit der Zeit kennenlernt und einen Wiedererkennungseffekt hat. Die Einzelfolgen sind so zusammengestellt, dass es in der Regel einen größeren, “spannenden” Einsatz gibt und verschiedene kleinere Einsätze und Übungen. Soweit ich das überblicken kann, sind Ausrüstung, Taktiken, Vorgehensweisen - und auch Verhalten und Abläufe - realistisch und das Ergebnis einer mehrmonatigen Begleitung der Feuerwehr.

Es macht richtig Spaß, das zu sehen - was für ein Unterschied zu dem chaotischen Gegacker und Geflacker der handelsüblichen Dokusoaps!

Alle Folgen, alle Staffeln stehen in der Mediathek kostenlos zur Ansicht bereit. Wer sich auch nur ein bißchen für Feuerwehr interessiert, sollte sich das anschauen.

Nachtstreife

Ende 2020 hat der SWR mit einer vergleichbar gemachten und auch vergleichbar guten Doku aus dem Bereich der Polizei nachgelegt, die bislang leider nur aus einer Staffel mit auch nur sechs Folgen besteht: Nachtstreife begleitet Beamtinnen und Beamte der Schutzpolizei, des Kriminaldauerdienstes und ab und an auch der Autobahnpolizei in und um Mainz bei ihren Einsätzen.

Auch hier wird dasselbe Konzept der Begleitung auf der Wache, auf den Einsatzfahrten und am Einsatzort gewählt; auch hier sind die Einsätze nicht nur spektakulär. Die Schutzpolizei greift bei Schlägereien und Ruhestörungen ein, der Kriminaldauerdienst bearbeitet praktisch ausschließlich Todesfallermittlungen (was der Realität entspricht), und die Autobahnpolizei jagt, bspw., Falschfahrer. Auch hier sind die Einsätze so hektisch (oder auch nicht), wie sie es eben sind; Erläuterungen werden in der Regel abseits des Einsatzgeschehens gegeben. Die Ausrüstung, Vorgehensweise, Einsatztaktik, schlicht das ganze “Drumherum”, sind - soweit ich das überblicken kann - realistisch.

Auch hier: gerne mehr! Schade, dass es nur so wenige Folgen gibt.

Die einzelnen Folgen stehen auch hier in der Mediathek kostenlos zur Ansicht bereit.

Weitere Beispiele

Es gibt sicherlich eine Vielzahl weiterer Beispiele - aber eben meistens Einzelfälle oder Doku-Serien mit wechselnden Themen. Einige, die mir - mehr oder weniger zufällig - in den letzten Jahren untergekommen sind, möchte ich hier nennen.

Feuerwehr

Polizei

Sehr empfehlenswert, aber leider nicht online: Jagd auf die “Cabrio-Mörder” - Die Sonderkommission greift zu. 2001 hat ein Team des Südwest-Fernsehens die Stuttgarter Kriminalpolizei begleitet und hatte - zufällig - die Gelegenheit, eine spektakuläre Mordermittlung der “Soko Cabrio” zu begleiten. Die Dokumentation stellt die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft in einer Sonderkommission realistisch dar; natürlich mit dem technischen Stand von 2001, aber die Abläufe sind auch heute noch nicht anders, nur eben mit digitalen Notrufaufzeichnungen (statt Tonband), Internetfahndung (statt Flugblättern und Plakaten in Telefonzellen) und moderneren Datenbank- und Fachanwendungen (statt auf Diskette gespeicherten Spurendaten). Bis 2018 war die Sendung über den Mitschnittdienst bestellbar, der allerdings leider eingestellt wurde.

Andere Themen

  • hr-fernsehen: Mittendrin - Flughafen Frankfurt
    42 (!) Folgen über den Frankfurter Flughafen unter allen Aspekten vom Tower bis zum Schlepper, von der Polizei über die Feuerwehr bis zur Wetterbeobachtung, vom Imbiss über den Enteiser bis zum Zoll.

  • NDR Doku: Die Nordreportage
    Die Themenauswahl ist … vielfältig, aber es finden sich auch verschiedene interessante, technische Themen.

Wie so oft ist Youtube hier eine Fundgrube, aber neben guten Funden findet sich leider auch sehr viel Ausschuss.

Gibt es noch weitere Beispiele für empfehlenswerte Dokus, die die werte Leserschaft beitragen kann?

[Nachträglich veröffentlicht im November 2021.]

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