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Spieler- und Jugendschutz in Spielhallen

Nicht selten scheint “der Staat” ein gespaltenes Verhältnis zu schädlichen bzw. selbstschädigenden Verhaltensweisen zu zeigen - so besteuert er Tabakerzeugnisse (nicht zu verwechseln mit Rauchwaren!) und Alkohol und generiert auf diese Weise Einnahmen, versucht aber zugleich, die Jugend (und zunehmend auch die erwachsene Bevölkerung) vor den schädlichen Folgen des Tabak- und des übermäßigen Alkoholkonsums zu bewahren. (Andererseits übt er so natürlich auch eine steuernde Wirkung nicht nur auf das Preisniveau aus.) Ähnlich sieht es im Umgang mit dem Glücksspiel aus: der Staat konzessioniert oder betreibt Spielbanken und/oder Lotterien bzw. verdient an diesen mit, versucht aber andererseits - auch dies zunehmend -, durch entsprechende Regelungen der Spielsucht entgegenzuwirken.

War dies in früheren Zeiten im wesentlichen auf die strafrechtlichen Vorschriften der §§ 284, 285 StGB beschränkt, so benennt der “Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland” mit dem neckischen Kürzel GlüStV bzw. der aktuelle Erste GlüÄndStV die Verhinderung des “Entstehens von Glücksspielsucht und Wettsucht” als das erste seiner gleichrangigen Ziele, gefolgt von dem Ziel, “den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken” und “den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten”. Infolgedessen sehen der Staatsvertrag und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen nicht nur umfangreiche Aufklärungspflichten (§ 7 GlüÄndStV), sondern auch ein zentrales Sperrsystem zum Schutz der Spieler vor ihrer möglichen Spielsucht vor.

So verlangt bspw. das Bremische Spielhallengesetz (BremSpielhG)

  • eine Ausweis- oder vergleichbare Kontrolle zur Gewährleistung der Volljährigkeit der Spieler vor Gewährung des Zutritts zur Spielhalle (§ 3 BremSpielhG) und

  • die Einführung umfangreicher Maßnahmen zum Spielerschutz (§ 4 BremSpielhG)

und verbietet (§ 6 BremSpielhG) u.a.

  • den Ausschank von alkoholischen Getränken oder das Angebot von Speisen,
  • die Gewährung von Kredit und
  • die Gestattung einer Spielteilnahme Spielsüchtiger.

Nun ist bekanntlich die Schaffung von Regelungen gut, aber deren tatsächliche Umsetzung bleibt entscheidend. Also stellt sich die Frage, inwieweit Spielhallenbetreiber diese zum einen teilweise sehr bürokratischen und zum anderen ihren Geschäftsinteressen zuwiderlaufenden Vorgaben wirklich umsetzen. Dieser Frage ist das Institut für Psychologie und Kognitionsforschung der Universität Bremen mit einer in “Sucht” 2015, 9-18 veröffentlichen Studie nachgegangen. Es wurden im Rahmen des experimentellen Praktikums innerhalb des Psychologie-Studiums Studenten als Testspieler in insgesamt 29 (auswertbaren) Fällen in verschiedenen Spielhallen eingesetzt.

Bei einem ersten Aufenthalt in einer Spielhalle sollten die Testspieler vor allem gesehen werden und nach dem Verspielen des mitgeführten Geldes mit einer Bemerkung in der Art von “Das war’s für heute, hab’ mal wieder keine Kohle mehr” einen ersten Hinweis auf ein problematisches Spielverhalten geben. Beim zweiten Besuch sollten sie sich auffällig verhalten (Selbstgespräche, Flüche, Verzweiflung bei Verlusten, keine Freude bei Gewinnen) und nach einer knappen Stunde die Spielhalle mit dem Bemerken verlassen, sie hätten eigentlich weniger spielen wollen, aber wieder alles verzockt und müssten zur Bank, Nachschub holen. Mit weiteren 30,- € unter der Bemerkung zurückgekehrt, das sei ihr letztes Geld, sie wüssten nicht, wo das alles enden soll, sollten sie dann im weiteren Verlauf ein Telefongespräch mit Freund/Freundin vortäuschen, bei dem sie behaupteten, noch auf der Arbeit zu sein. Nach dem Verspielen des Geldes sollte das Personal um 50,- € Kredit gebeten werden und zugleich geäußert werden, man habe manchmal das Gefühl, das Spielen nicht mehr unter Kontrolle zu haben, verbunden mit der Frage, ob dagegen nicht etwas getan werden könne. Wenn in diesem Gespräch keine Selbstsperre vorgeschlagen wurde, sollte konkret nach dieser Möglichkeit gefragt und die Sperre dann durchgeführt werden. In einem dritten Versuch sollte 14 Tage später geprüft werden, ob die Sperre durch die vorgeschriebenen Kontrollen auch durchgesetzt wird.

Die Ergebnisse waren wenig überraschend, aber auch wenig überzeugend.

Nur in 76% der 111 prüfbaren Besuche von Testspielern und Beobachtern fanden Ausweiskontrollen statt; begrenzt auf den ersten Besuch und die Testspieler fanden nur in 39% der Fälle Kontrollen statt, wobei die Wahrscheinlichkeit bei jüngeren Testspielern höher war. Statistisch signifikant überdurchschnittlich war die Kontrolldichte aber nur bei Spielhallen mit nur einer Konzession, an Wochenenden und in der zweiten Monatshälfte.

Auf die Bemerkung am Ende des ersten Besuches gab es in 79% der Fälle keine Reaktion und ansonsten nur allgemeine Bemerkungen der Art, man könne nicht immer gewinnen; nur in einem Fall wurde nachgefragt, ob alles okay sei. Die Bemerkung am zweiten Tag, der Testspieler müsse Nachschub an der Bank holen, führte in 83% der Fälle zu keiner Reaktion oder nur zu einer Wegbeschreibung zur Bank, in 17% der Fälle wurde angeboten, den Automaten freizuhalten (einmal zusammen mit der Wegbeschreibung), und nur in einem Fall wurde dem Testspieler vom Weiterspielen abgeraten. Nach der Rückkehr führte die Bemerkung, das sei jetzt das letzte Geld, in 50% zu keiner oder einer gleichgültigen Reaktion (“Es zwingt Dich ja keiner, zu spielen”); in 36% wurde dem Testspieler immerhin Glück gewünscht oder er erhielt Tipps zum Spiel. Nur in 3 Fällen (115) wurde besorgt oder kritisch nachgefragt. Das nachfolgende vorgetäuschte Telefongespräch mit einer nahestehenden Person, bei dem diese belogen wurde, führte in 3 Fällen (11%) zu einem Hinweis auf das Handyverbot in der Spielhalle und sonst zu keiner Reaktion.

Die Bitte, 50 € Kredit zu geben, wurde in 83% der Fälle klar abgelehnt; in zwei Fällen wurde der Weg zu einem Leihhaus beschrieben, in einem weiteren Fall wurde auf den Chef verwiesen, der dies anbiete. Nur in zwei Fällen erfolgte die Empfehlung, eine Pause zu machen oder Hilfe zu suchen. Die offene Frage, ob man gegen einen möglichen Kontrollverlust etwas tun könne, führte nur in 5 Fällen (18%) zu einem Hinweis auf die Möglichkeit der Spielersperre, einmal verbunden mit dem Hinweis, eine solche Sperre sei aufwendig und letztlich sinnlos, weil dann anderswo gespielt werden könne. In den übrigen Fällen gab es keinerlei Empfehlung dieser Art, einmal verbunden mit der bemerkenswerten Äußerung, da könne man nichts machen, in der entsprechenden Spielhalle hätten Leute schon Tausende verspielt. Immerhin gab es in 10 Fällen (36%) Infomaterial zur Suchtberatung. Das Ergebnis einer konkreten Nachfrage nach einer Sperrmöglichkeit war nicht viel besser; in 19 Fällen (66%) wurde der Wunsch ignoriert oder es folgten fehlerhafte Informationen, bspw. dergestalt, dass eine Sperre in der entsprechenden Spielhallte nicht möglich sei oder dass es bei Verstößen des Spielers gegen die Sperre zu Bußgeldern käme. Nur in 18 Fällen (62%) konnte am Ende des Gesprächs eine Spielsperre, ein Hausverbot oder ähnliches erreicht werden, teilweise nach erheblichem Aufwand wie bis zu dreimaligen Besuchen, dem Aufsuchen anderer Standorte oder der Vorlage weiterer Passfotos.

Von den 18 Sperren oder anderweitigen Abmachungen wurden 15 nach zwei Wochen überprüft. Nur in zwei Fällen (13%) kam es zu einem Ausschluss vom Spiel; in den 13 anderen Fällen (87%) konnte problemlos wieder gespielt werden.

Man darf wohl als Fazit festhalten, dass die Compliance hier noch Potential hat …

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